Wie Industrienationen arme Länder ausbeuten

Ausgabe: 1995 | 4

Das Phänomen der illegalen oder unkontrollierten Einwanderung und die auftretenden feindlichen Reaktionen darauf sind kaum noch in den Griff zu bekommen. Der Generalsekretär des Club of Rome, Bertrand Schneider, stellt ein Modell zur Entschärfung dieser bedrohlichen Situation vor: Die Anstrengungen in Richtung Verbesserung eines menschenwürdigen Lebens in den Ländern des Südens müssen verstärkt werden.

Die Kluft zwischen den Reichen, die immer reicher, und den Armen, die immer ärmer werden, vergrößert sich zunehmend. Die von den Industrieländern jährlich überwiesenen 40 Mia. Dollar (doppelt soviel, wie der neue Flughafen in Hongkong kostet) "Almosen" für bilaterale Hilfe reichen keineswegs aus, um das Elend entscheidend zu mindern. Der Autor versucht, die Ursachen des Scheiterns begreifbar zu machen, die die Unterentwicklung begründen und vielfach sogar beschleunigen. Enorme Summen sind im Spiel, wenn es um die Auslandsschulden, die Schuldzinstilgung und die Spezies der “Entwicklungsprofiteure " geht. "Ein offizieller Bericht des Kantons Genf stellte bereits 1977 fest, daß 52 000 Experten an 1020 Versammlungen über die Dritte Welt teilgenommen hatten, was 14 000 Arbeitssitzungen entsprach."

Nicht zuletzt deshalb schlägt Schneider vor, die Rolle der Weltbank und deren aufgeblähten Bürokratismus zu überdenken. Insgesamt hält der Autor ein radikal anderes Entwicklungskonzept für notwendig. Ein solches muß auf Prinzipien aufbauen, die auf einer klaren Zukunftsvision gründen und planmäßiges Vorgehen erkennen lassen. Dieses Konzept, das vom Süden ausgehen muß und die dortigen Bedürfnisse als Ausgangspunkt nimmt, stellt den Menschen in den Mittelpunkt der Entwicklung. Neben einer Förderung der Eigeninitiative sollen ökonomische Partnerschaften treten, der Schutz der Umwelt gefördert sowie der Zugang zu Kommunikationsmöglichkeiten erleichtert werden; zudem sollten neue mächtige Institutionen - etwa eine neu strukturierte UNO - die Interessen der Länder des Südens vertreten. Fünf strategische Prinzipien zur Umsetzung dieses neuen Entwicklungskonzepts sind laut Schneider: Förderung der Erziehung, Kontrolle des Bevölkerungswachstums, Schaffung von Landsitz, radikal neue Finanzierung von Entwicklung und schließlich Stärkung der Rolle der zivilen Gesellschaft. Dies scheint zumindest mittelfristig ein konkret umsetzbares Programm zur Selbsthilfe.

A.A.

Schneider, Bertrand: Krieg den Hüften. Der Nord-Süd-Skandal. Wie die Industrienationen die armen Länder ausbeuten. München: Bertelsmann, 1995. 221 S., DM 39,80/sFr37,80/öS295