Nord-Süd-Konflikt - Die Dauerkrise des Südens erreicht auch den Norden

Ausgabe: 1994 | 2

Der Gegensatz zwischen Nord und Süd wird, so Reymer Klüver, Redakteur der Süddeutschen Zeitung im Ressort Dritte Welt und Entwicklungspolitik, zum dominierenden Problem des nächsten Jahrhunderts. Die Dauerkrise des Südens wird letztlich auch den Norden erreichen. Wie ernst die Lage ist, belegt eine eindrucksvolle symbolische Rechnung der UNDP (United Nations Development Programme), nach der die Dritte Welt jedes Jahr etwa 50 Mrd. Dollar an Entwicklungshilfe bekommt, dem Süden aber jährlich 500 Mrd. Einnahmen durch die ungleiche Partnerschaft entgehen.

Der Autor macht in einer Art Bestandsaufnahme fünf Bereiche aus, wo der Norden die Krise schmerzhaft zu spüren bekommen wird: Migrationsdruck, ökologische Missstände, wirtschaftliches Missverhältnis, ideologisches Unbehagen und militärische Auseinandersetzungen. Klüver errechnet u.a. die Aufwendungen für Familienplanung in den Entwicklungsländern, die - um das Wachstum der Menschheit auf einem mittleren Niveau zu halten - bis zum Jahr 2000 auf das Doppelte von heute (9 Mrd. Dollar) jährlich steigen müssten. Vor allem im Konsumverhalten wird das Maß der Ungleichheit deutlich, denn die Länder des Nordens verbrauchen vier Fünftel der weltweit verfügbaren Ressourcen. Es ist klar, "dass der Wohlstand der Industrieländer auf Kosten der globalen Umwelt geht und nicht auf die übrigen vier Fünftel der Menschheit ausdehnbar ist". Ähnliches zeigt sich auch in den ungerechten Handelsbedingungen: ein Fünftel der Weltbevölkerung erwirtschaftet vier Fünftel aller Gewinne.

Noch betrüblicher als die ohnehin schon zum Überdruss bekannten Fakten ist das vom Autor gezogene Resümee: Nach dem Scheitern des "Prinzips Hoffnung" in Form realsozialistischer Utopien und dem ebenso wenig durchsetzbaren "Prinzip Verantwortung" einer globalen Ethik bleibt für ihn nur das Prinzip Ratlosigkeit. Trotzdem sind einige Vorschläge zu einer revidierten Entwicklungspolitik (Aufbau von demokratischen Strukturen und Einsatz von Umwelttechniken) sowie zur Einführung eines entwicklungspolitischen TÜV-Tests, vergleichbar der Umweltverträglichkeitsprüfung, zu vernehmen. Klüver kritisiert zwar eingangs die Glaubensgrundsätze des Westens von Wohlstand und Demokratie, bleibt aber letztlich eben diesen Kategorien verhaftet ohne nennenswerte kreative Ausblicke zu bieten.

A. A. 

Klüver, Reymer: Das Menschheitsrisiko. Szenarien des Nord-Süd-Konflikts. Weinheim (u. a.): QuadrigaVerl., 1994. 175 S., DM 36,-/ sFr 33,10/ ÖS 281