Reni Eddo-Lodge

Warum ich nicht länger mit Weissen über Hautfarbe spreche

Ausgabe: 2020 | 1
Warum ich nicht länger mit Weissen über Hautfarbe spreche

Einen gesamtgesellschaftlich relevanten Beitrag liefert Reni-Eddo Lodge mit diesem Buch. Der englische Originaltitel „Why I’m No Longer Talking to White People About Race“ lässt sich auf einen ihrer Blogeinträge zurückzuführen, der 2014 Ausgangspunkt für viele Debatten und schließlich dieses Buch wurde. Bereits 2017 erschien der mehrteilige Essay über strukturellen Rassismus, landete auf zahlreichen Bestsellerlisten und wurde mit einigen Preisen ausgezeichnet, darunter dem British Book Award. Seit diesem Jahr liegt er nun auch in deutscher Übersetzung vor.

„Wenn wir über strukturellen Rassismus reden, sprechen wir über die Zementierung persönlicher Vorurteile, über Gruppendenken. Es grassiert. Doch statt die derzeitige Lage als absolute Tragödie zu verdammen, sollten wir sie als Gelegenheit ergreifen, um uns auf kollektive Verantwortung für eine bessere Gesellschaft zuzubewegen, und unterwegs interne Hierarchien und Überschneidungen berücksichtigen.“ (S. 222)

Verschiedene, sich bedingende Themen greift die Autorin in ihren Ausführungen auf: Die britische, im öffentlichen Diskurs gänzlich ausgeblendete oder retuschierte Historie von Rassismus. Die Interdependenz von sozialer Klasse und „Race“. Kritik an einem Feminismus, der offensichtlich patriarchale Schemata erkennt, aber oftmals Mühe hat, Weißsein als politische Struktur auf die gleiche Weise zu verstehen (vgl. 174ff.). Lodge präzisiert einen institutionalisierten, systemische Macht aufrechterhaltenden Rassismus, der Chancen verzögert, einschränkt oder vernichtet. Dazu gehört auch: „Wer aufgrund von Bedenken, nicht die richtige Person für eine Stelle zu finden, gegen positive Diskriminierung ist, zeigt unfreiwillig, dass er glaubt zu wissen, wie Talent aussieht und welche Art von Personen über Talent verfügen. Ich bezweifle ernsthaft, dass so viele Leistungspositionen mit weißen Männern mittleren Alters besetzt wären, wenn das derzeitige System korrekt funktionieren und die derzeitige Einstellungspraxis unter allen Umständen die richtigen Leute für die richtigen Jobs rekrutieren und empfehlen würde. Wer auf Fairness beharrt, übersieht, dass die Rahmenbedingungen im Moment alles andere als fair sind.“ (S. 91)

Rassismus bringt nach Lodge nicht nur die Entmachtung derjenigen Personen mit sich, gegen die er sich wendet, sondern eben auch einen Machtgewinn für diejenigen, gegen die er sich nicht wendet – damit beschreibt sie den Begriff „White Privilege“ (vgl. S. 125). So formuliert wird wunderbar deutlich, warum das Streben nach Gleichstellung, egal in welchem Bereich, von machthabender Seite als eine Form der Ungerechtigkeit rezipiert werden kann: es wird schließlich der persönliche Vorteil weggenommen. Dass dieser in einer liberalen Demokratie eigentlich ohnehin illegitim ist, bleibt in diesem Szenario natürlich außen vor.