
Ist Liebe politisch? Der Journalistin Şeyda Kurt zufolge ist sie das. Das politische Moment verortet sie dabei weniger im Gefühl der Zuneigung als innerhalb der daraus resultierenden Beziehungen, der gesellschaftlichen Vorstellungen, welche Form von Beziehungen legitim sind. „Ich behaupte, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der mächtige Institutionen, Gesetze und das zirkulierende kollektive Wissen unermüdlich daran arbeiten, manche Wahrheiten aufrecht zu erhalten. […] Es sind Wahrheiten, die über unseren Körper herrschen sollen und in ihrem Kern von patriarchalen, rassistischen und kapitalistischen Logiken zusammengehalten werden.“ (S.14) Kurt zeigt, wie private Beziehungen zu anderen wie auch zu sich selbst durch (gesellschafts-)politische Ideale beeinflusst werden. Dabei greift sie auch auf eigene Erfahrungen zurück, von kulturellen Prägungen ihrer Kindheit bis hin zur Abkehr von traditionellen Zweierbeziehungen.
Heteronormative Paarbeziehungen verfestigen nach wie vor bestehende Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern. Daraus resultieren nicht minder klassische Rollenaufteilungen und münden darin, dass als Frauen gelesene Personen den überwiegenden Teil der unbezahlten Fürsorgearbeiten leisten. Darüber hinaus werden für das Ideal der romantischen Liebe mitunter auch gewalttätige Beziehungen ertragen. Die Journalistin will dabei Paarbeziehungen an sich trotz aller Kritik keinerlei Wert absprechen, aber: „Wir brauchen stattdessen eine politische Vielfalt von Gemeinschaftsformen, in der die romantische Liebe oder Blutsverwandtschaft nur zwei von vielen Antworten auf die Frage sein können, wie wir unsere Zukunft mit anderen Menschen planen und wie und warum wir für sie Verantwortung übernehmen wollen.“ (S. 165)
Wie können diese verfestigten und sich nach wie vor reproduzierenden einseitigen Wahrheiten von Liebe überwunden werden? Für Kurt ist ein Umdenken hin zur Zärtlichkeit ein möglicher Ansatz. Diese beschränke sich nicht auf romantische Beziehungen, sondern ziele darauf ab, unabhängig von Geschlecht oder Beziehungsform fürsorglich miteinander umzugehen – abseits von vorgefertigten Rollenbildern und Klischees.
Das Buch bietet Leser:innen an, eigene Vorstellungen zu hinterfragen, behandelt die Frage, ob Liebe politisch sei in philosophischen wie geschichtspolitischen Kontexten und lässt auch Humorvolles nicht zu kurz kommen, etwa im fiktiven Interview mit Karl Marx über den Zusammenhang von Arbeit und Liebe.