Barbara Prainsack

Wofür wir arbeiten

Ausgabe: 2024 | 4
Wofür wir arbeiten

Barbara Prainsacks Buch „Wofür wir arbeiten” beleuchtet, wie tiefgreifend Arbeit unser individuelles Leben und die Gesellschaft strukturiert. Prainsack zeigt auf, dass wir Erwerbsarbeit und die damit verbundenen Risiken wie Arbeitslosigkeit als gottgegeben hinnehmen, obwohl historische und wissenschaftliche Analysen belegen, dass Arbeit nicht zwingend in der heute gelebten Form existieren muss. Stattdessen bietet sie Potenzial für eine Transformation hin zu einer gerechteren Welt.

Im ersten Abschnitt beschreibt Prainsack die große Resignation, die sich in vielen westlichen Ländern bemerkbar macht. Die Lohnentwicklung hält nicht mehr mit der Preisentwicklung Schritt, und die Schere zwischen Arm und Reich klafft immer weiter auseinander. Große Firmen wie Amazon profitieren dabei noch einmal zusätzlich, indem sie prekäre Arbeitsverhältnisse fördern und dafür sogar Steuererleichterungen für ihre vermeintliche Wohltätigkeit Arbeitssuchenden gegenüber erhalten. Prainsack stellt klar, dass dies keine unvermeidlichen Entwicklungen sind, sondern menschengemachte Strukturen, die wir verändern könnten, wenn wir sie uns bewusst machen würden. Besonders eindrücklich ist ihre Feststellung, dass es vor allem die Reichen sind, die von diesem System profitieren – nicht die, die hart arbeiten, sondern jene, die erben: „Der oft gehörte Spruch, Leistung müsse sich lohnen, trifft auf unsere heutige Gesellschaft nicht zu. Viele derjenigen, die am meisten und am härtesten arbeiten, und deren Arbeit anderen Menschen viel Positives bringt, verdienen beschämend wenig“ (S. 43).

Der zweite Abschnitt widmet sich den Wünschen und Bedürfnissen der arbeitenden Bevölkerung. Der demografische Wandel verschiebt die Machtverhältnisse zwischen Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen, und es zeichnen sich neue Prioritäten ab: Flexibilität, Selbstbestimmung und eine qualitative statt quantitative Belohnung der Arbeit. Prainsack zeigt auf, dass diese Veränderungen nicht nur Wünsche sind, sondern in vielen Teilen der Welt bereits breite Unterstützung finden. Die Diskussion um Arbeitszeitverkürzung mit oder ohne vollen Lohnausgleich gewinnt an Fahrt, ebenso wie das Bewusstsein dafür, dass Arbeit nicht zwangsläufig mühselig oder schmerzhaft sein muss.

Grundeinkommen als Vorschlag

Im dritten Abschnitt legt Prainsack ihre Vision dar, wie Arbeit die Gesellschaft transformieren kann. Sie argumentiert, dass Arbeit so tief in unser Leben eingebettet ist, dass ihre Neuausrichtung der Schlüssel zu einer gerechteren Welt sein könnte. Ihr Vorschlag eines bedingungslosen Grundeinkommens ist dabei ein zentraler Punkt. Prainsack setzt sich mit gängigen Gegenargumenten über Fairness, Faulheit und Finanzierbarkeit auseinander und entkräftet diese als ideologisch und nicht evidenzbasiert. Sie plädiert für eine Absicherung der Grundbedürfnisse aller Menschen – mit vielen zu erwartenden positiven (Neben-)Wirkungen.

Unsere Arbeitswelt ist dysfunktional

Prainsack beschreibt treffend, wie dysfunktional unsere heutige Arbeitswelt organisiert ist. Sie zeigt auf, dass Arbeit aktuell nur noch über Geld bewertet wird und alles, was nicht finanziell messbar ist, an Wert verliert. Ihre Argumentation, dass Arbeit das Potenzial zur Transformation birgt, ist nachvollziehbar und gut begründet. Allerdings bleibt die Frage, ob das bedingungslose Grundeinkommen die richtige Lösung ist, offen. Prainsack reiht sich mit ihrer Diagnose in eine Reihe von Publikationen ein, welche die Dysfunktionalität unserer Gesellschaftsstrukturen schmerzhaft deutlich machen – aber wie bei den meisten Kolleg:innen dieser Reihe wirken die vorgeschlagenen Antworten oft nicht neu und bleiben unbefriedigend. Ob es nun um unser Wirtschaftssystem, den Umgang mit dem Klimawandel und dessen Folgen oder um die vielen anderen gesellschaftlichen Unzulänglichkeiten geht,  die Antworten scheinen nicht zu überzeugen – denn es ändert sich erschreckend wenig. Es werden konkretere und praktikablere Wege benötigt, um die treffende Evaluation der aktuellen Lage in reale Veränderung zu übersetzen – hier wartet also noch viel Überzeugungsarbeit für Wissenschaft und Zivilgesellschaft auf uns. Ein integraler Bestandteil dürfte hier aber vor allem der politische und auch der gesellschaftliche Wille für radikale Umwälzungen zu sein – und diesen zu entfachen scheint die erste große Aufgabe zu sein, bevor es an die rationale Umsetzung von Lösungen gehen kann.

Eine fundierte und prägnante Analyse

Insgesamt liefert Prainsack eine fundierte und prägnante Analyse der aktuellen Arbeitswelt und ihrer Probleme. Ihre Visionen und Vorschläge regen zum Nachdenken an und eröffnen neue Perspektiven auf die Rolle der Arbeit in unserer Gesellschaft. Dennoch bleibt die Herausforderung bestehen, aus diesen Einsichten konkrete und wirksame Handlungsansätze mit Zähnen zu entwickeln.