Paradigmenwechsel in der neuzeitlichen Eigentumstheorie

Ausgabe: 1993 | 1

In seiner Dissertation führt Manfred Brocker den Nachweis, daß sich in der Auseinandersetzung zwischen Lockes arbeitstheoretischer und Kants transzendentalphilosophischer Eigentumstheorie Lockes Auffassung, wonach Eigentum als unveräußerliches Naturrecht durch menschliche Arbeit entstehe, durchgesetzt hat und die Eigentumsdiskussion von der klassischen Nationalökonomie (Smith) über deren Kritik und Überwindung (Marx) bis zur Rechtsphilosophie der Gegenwart beherrscht. . .. Der Autor beschäftigt sich mit der ideengeschichtlichen Frage, warum die Lockesche Position die Gestalt eines dominierenden Paradigmas angenommen hat, während die kritischen Einwände Kants bis heute nicht akzeptiert werden. Die Lockesche Arbeitstheorie weist nämlich entscheidende und durchaus auch für die gegenwärtige und zukünftige Diskussion relevante Defizite auf:

  • Sie geht von der Unerschöpflichkeit der natürlichen Ressourcen aus. Nach dieser Auffassung haben alle Menschen (auch zukünftige Generationen) das Recht auf unbegrenzte Eigentumsaneignung. Die Wirklichkeit zeigt aber, daß der Ressourcenausbeutung sehr wohl Grenzen gesetzt sind und daher viele Menschen von der Eigentumsaneignung ausgeschlossen und in ihrer Existenz bedroht sind.
  • Ihr Begriff von ,Arbeit' (und dieser Punkt hat gerade angesichts der gegenwärtigen, nahezu hitzigen Debatte um die Zukunft der ,Arbeitsgesellschaft' Bedeutung) ist ungeklärt. "
  • Sie vernachlässigt, daß Eigentum In erster Linie eine soziale Funktion hat, denn Eigentum zu haben bedeutet immer auch, es anderen Menschen zu entziehen. Eigentum hat daher immer mit Macht zu tun.

Für die moderne Gesellschaft ergibt sich aus der Dominanz der Lockeschen Eigentumstheorie ein Widerspruch zwischen Demokratie und Naturrecht, zwischen Freiheit und Eigentum, da ja ein Staat, der unter keinen Umständen in persönliches Eigentum eingreifen darf, in Fragen der Eigentumsverteilung etc. gänzlich blockiert ist. Um zu untermauern, daß es sich dabei keineswegs nur um intellektuelles Theoretisieren handelt weist der Autor auf Urteile deutscher Gerichte hin, die seine Thesen bestätigen. J. P.

 

Brocker, Manfred: Arbeit und Eigentum. Der Paradigmenwechsel in der neuzeitlichen Eigentumstheorie. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1992. 622 S., DM 86, - / sFr 72,90 / öS 670,80

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