Mariana Mazzucato, Rosie Collington:

Mariana Mazzucato, Rosie Collington: Die große Consulting-Show

Ausgabe: 2024 | 1
Mariana Mazzucato, Rosie Collington: Die große Consulting-Show

Mariana Mazzucato, bekannt durch ihren Bestseller „Das Kapital des Staates“, hat 2017 das Institute for Innovation and Public Purpose am University College London gegründet. Das Ziel: den Auftrag und die Leistungsfähigkeit des öffentlichen Sektors zu stärken. Gemeinsam mit ihrer Doktorandin Rosie Collington widmet sie sich in ihrem neuen Buch „Die große Consulting-Show“ der Zunahme des Beratungswesens im Bereich der öffentlichen Hand. Die Bewältigung der großen Herausforderungen unserer Zeit erfordere technisches Wissen, Erfahrung und Managementfähigkeiten, so die beiden einleitend. Doch schlechte Führung in Unternehmen und im Staatswesen hätten im letzten halben Jahrhundert zu einer Orientierung an kurzfristigen Zielen geführt: „Infolge dieser Trends mangelt es heute in vielen Organisationen an Wissen, Fähigkeiten und Visionen“ (S. 13). Dies und die Verknappung der öffentlichen Haushalte im Zuge des Neoliberalismus sehen die Autorinnen als Hauptgründe dafür, dass der Zukauf externen Wissens durch Beratungsfirmen in den letzten Jahrzehnten explodiert sei. Die „Consulting-Show“ sei nicht für alle Missstände des Kapitalismus verantwortlich, aber sie profitiere von seinen Dysfunktionalitäten – „von Finanzspekulation, von kurzfristigem Denken in der Wirtschaft und der Risikoscheu des öffentlichen Sektors“ (S. 17).

Versprochener Mehrwert oft fragwürdig

Beratungsunternehmen können Kund:innen helfen, ihre Ziele umzusetzen. Behauptungen, wonach die Consultingbranche einen Mehrwert für Wirtschaft und Gesellschaft erzeuge, indem sie Wissen vermittle und Kosten reduziere, seien aber übertrieben, so die Überzeugung der Autorinnen: „Im öffentlichen Sektor sind die entstandenen Kosten oft viel höher, als wenn der Staat in die eigene Leistungsfähigkeit investiert und dabei zugleich gelernt hätte, wie sich Prozesse verbessern lassen“

(S. 21). Interner Sachverstand werde zu oft vernachlässigt, stattdessen schalte man eine globale Unternehmensberatung ein. Das führe zu „Verlernen durch Nicht-Tun“ (S. 20) statt zu „Learning by doing“. Ausführlich beschreiben Mazzucato und Collington solche Fälle, in denen Regierungen hohe Summen für externe Dienstleistungen ausgegeben haben, ohne dass der gewünschte Erfolg erzielt werden konnte – sei es in der Finanz- oder Pandemiekrise. In Bezug auf die Klimakrise würden Beratungsunternehmen häufig sogar verschleiern, dass in der Realität keine wirklichen Maßnahmen gesetzt würden. Die Klimaexpertise von Forschungseinrichtungen würde häufig negiert, dafür teures Geld für Beratungsdienstleistungen ausgegeben.

Lernen durch Tun und kollektive Intelligenz

Vielen Regierungen sei durch das New Public Management eingeredet worden, nur mehr zu steuern, das Rudern anderen zu überlassen. Die Autorinnen sehen dies anders. In ihrem Fazit plädieren sie für eine Regierung, „die rudert, damit sie steuern kann“ (S. 249). Sie plädieren für den Rückbau des Beratungswesens und dessen Neugestaltung. Der Wiederaufbau der Fähigkeiten des öffentlichen Sektors beginne mit der Erkenntnis, dass der Staat in der Wirtschaft wertschöpfend wirkt und nicht Ballast eines sonst gut funktionierenden Wirtschaftssystems sei. Es müsse in den Aufbau interner Kapazitäten und Fähigkeiten investiert werden. Lernen und konkrete Ziele seien in die Evaluierung von Vertragsleistungen einzubeziehen, Vereinbarungen zum Teilen von Wissen aufzunehmen. Nicht zuletzt müssten im Bereich des Consultings Transparenz und die Offenlegung von Interessenskonflikten zur Pflicht gemacht werden. Vorgeschlagen wird auch ein verstärkter Dialog von Regierungen und Parlamenten mit der Wissenschaft, den Unternehmen und der Zivilgesellschaft im Sinne von „kollektiver Intelligenz“ (S. 268).

Ein wichtiger Beitrag

Mazzucato und Collington beschreiben anschaulich die Geschichte und Gründe der seit den 1980er Jahren stark gestiegenen Outsourcing-Welle. Sie machen deutlich, wie die großen Consultingunternehmen als „Eindrucksmanager“ (S. 120) ihre Geschäfte anbahnen, wie sie sich als seriöse Expert:innen mit eigenen Akademien und Publikationen präsentieren, wie sie Kund:innen in Abhängigkeiten bringen. Sie zeigen auf, was die Staaten damit an Steuergeldern verschwendet haben. Sie sind aber auch optimistisch, dass Regierungen, gedrängt von ihren Wähler:innen, aus den Fehlern lernen können. Mit ihrem Buch, das externe Beratung nicht grundsätzlich ablehnt, aber auf neue Beine gestellt haben möchte, leisten sie einen wichtigen Beitrag dazu.