
Mit ihren Büchern „Aus kontrolliertem Raubbau“ und „Die grüne Lüge“ hat Kathrin Hartmann auf die Praktiken des Greenwashings von Konzernen hingewiesen. In ihrem neuen Buch „Öl ins Feuer“ widmet sie sich der Scheinklimapolitik, die von Technofantasien des Einfangens von Kohlendioxid („Carbon Capture“) über die neuen Wasserstoffprojekte mit afrikanischen Ländern bis hin zum fragwürdigen Freikaufen von Konzernen durch Waldschutzprojekte reicht. Hartmann spricht von „Grünem Kapitalismus“ und neuem „Grünen Kolonialismus“ – beide würden die Lage nur verschlimmern.
Doch das Buch beginnt diesmal an den Zentren des ungeschminkten Fossilkapitalismus, einem der wohl dreckigsten Orte der Welt, den Petro- und Chemiearealen an der US-Golfküste in Texas. Nicht nur in den Ländern des globalen Südens, wo die Einheimischen durch rücksichtlose Ausbeutung von Rohstoffen, Palmölplantagen und Waldrodungen vertrieben und vergiftet werden, sondern auch in den reichen Zentren des Kapitalismus gibt es Ausgebeutete des Fossilzeitalters, erkennt Hartmann im Zuge ihrer Recherchen: Menschen zweiter Klasse in den Industriegebieten der USA, in denen – anders als in Europa – Umweltauflagen nach wie vor lax sind.
Als weiteren Schauplatz neuer ökologischer Zerstörungen beschreibt Hartmann die Flüssigerdgas-Anlagen der LNG-Infrastruktur. Aufgrund von Putins Krieg gegen die Ukraine sind die Europäer auf fieberhafter Suche nach neuen Erdgasquellen. LNG – der Begriff steht für „Liquefied Natural Gas“ – wurde damit zum neuen Hoffnungsträger der Energieversorgung. Auf über minus 160 Grad abgekühlt, kann das Gas mit Tankern über die Meere verschifft werden. Doch die Produktion ist nicht nur energieaufwändig und damit äußerst klimaschädlich, sondern verschmutzt die Umwelt weiter und sie erfordert große neue Infrastrukturen. So werden auch an Deutschlands Nordküste mehrere LNG-Terminals errichtet. Hartmann dazu: „So ein Tempo gibt es beim Ausbau der erneuerbaren Energie nicht. Windparks warten jahrelang auf Genehmigung“ (S. 43).
Phantomklimaschutz durch Geoengineering
Ein weiteres Kapitel widmet die Journalistin dem, was sie „Phantomklimaschutz“ nennt: dem Geoengineering, mit dem ausgestoßenes Kohlendioxid wieder eingefangen werden soll. Diese Technologien böten Fossil-Konzernen die Möglichkeit, sich grün zu waschen, ohne ihre Geschäftspraktiken revidieren zu müssen. Und sie sind Wasser auf den Mühlen der Klimapolitikverzöger:innen. Doch: „Weder existieren diese Technologien im großen Maßstab, noch geben Projekte in dieser Richtung Hoffnung, dass sie je zum Klimaschutz beitragen“ (S. 103). Statt heute zu handeln, vertraue man noch immer auf Erfindungen von morgen. Laut einer von Hartmann zitierten Studie sind in den vergangenen dreißig Jahren rund 80 Prozent der CCS-Pilotanlagen gescheitert. Im Buch findet man zahlreiche Beispiele solcher Bankrott-Anlagen.
„Grüner Extraktivismus – Plünderung im Namen der Weltrettung“ (S. 138) – so ist ein weiteres Kapitel des Buches überschrieben. Hartmann widmet sich darin den neuen Mega-Solaranlagen in den sonnenreichen Ländern des Globalen Südens, über die grüner Wasserstoff für den reichen Norden erzeugt werden soll. Etwa in Namibia, wo die deutsche Bundesregierung an einem Großprojekt zur Erzeugung von „grünem“ Wasserstoff beteiligt ist. Das Projekt soll 10 Milliarden Dollar kosten, fast so viel wie das Bruttoinlandsprodukt von Namibia. Der namibische Staat will sich mit 24 Prozent beteiligen – mit Krediten von der Europäischen Entwicklungsbank, erfährt man. Hartmann dazu: „Das bedeutet, dass das Land auf den Schulden sitzen bleibt, wenn das Projekt scheitert“ (S. 150). Pikantes Detail: Die Reinigung der Solarflächen verschlingt Unmengen an in den ariden Gebieten ohnedies knappem Wasser. Nicht weniger problematisch ist laut Autorin das Sich-Freikaufen von Konzernen mittels CO2-Zertifikaten über diverse Waldschutzprogramme, da die tatsächliche Wirkung umstritten und der erneute Landraub problematisch sei. Hartmann spricht hier von „Greengrabbing“ und „Kohlenstoffkolonialismus“.
Das Dilemma des Versuch, die Welt grüner zu machen
Hartmanns Recherchen zeigen das Dilemma des Versuchs auf, die Welt grüner zu machen, ohne dabei das Wirtschaftssystem des modernen Konsumkapitalismus an sich in Frage zu stellen. Die Autorin zitiert kritische Studien, die das grüne Wachstumsversprechen hinterfragen. Sie interviewt jene, die vom Extraktivismus bedroht werden und jene, die sich dagegen wehren. Zu Recht nennt die Journalistin all die Konzerne beim Namen, die aus dem gegenwärtigen System Profit schlagen; sie kritisiert jene Politiker:innen, die dem grünen Wachstumspfad huldigen – die deutschen Grünen bekommen dabei einiges an Fett ab. Zu ergänzen wäre aber, dass wir alle mit unserer „imperialen Lebensweise“ in diesen Konsumkapitalismus verstrickt sind.