Mit der 1972 erschienenen Studie „Die Grenzen des Wachstums“ hat der Club of Rome erstmals auf die Endlichkeit der Ressourcen unseres Planeten hingewiesen. Manche der Prognosen trafen so nicht ein – etwa in Bezug auf die Rohstoffverknappung, andere wie die Zunahme der Treibhausgase waren ziemlich genau. Der anlässlich des 50. Jubiläums des Erstberichts erschienene neue Bericht „Earth for All“ warnt vor sich zuspitzenden Krisen. Gesprochen wird von einem „planetaren Notstand“ und der Notwendigkeit einer „resilienten Zivilisation“, von „Zusammenbruch oder Durchbruch“ (S. 13).
Neben den Hauptautor:innen haben knapp 30 weitere Expert:innen an der Studie mitgewirkt. Der Bericht thematisiert nicht nur ökologische Herausforderungen, sondern – wie der Titel schon anzeigt – auch Fragen einer fairen Wirtschaftsordnung. Im Zentrum stehen „fünf außerordentliche Kehrtwenden für globale Gerechtigkeit auf einem gesunden Planeten“ (S. 9): an erster Stelle steht die „Armutskehrtwende“, dieser folgen die „Ungleichheitskehrtwende“ sowie die „Ermächtigungskehrtwende“ (diese soll Geschlechtergerechtigkeit herstellen), die „Ernährungskehrtwende“ und schließlich die „Energiekehrtwende“. Fünf Wenden, die eng miteinander verknüpft sind und „nur gemeinsam einen umfassenden Systemwandel“ (S. 36) sicherstellen. So lautet eine zentrale These, dass ökologische und soziale Fragen angegangen werden müssen, andernfalls könnten chaotische, politisch instabile Zustände eintreten. Verdeutlicht wird dies mit den eingeführten Parametern „Index für soziale Spannungen“ und „Wohlergehensindex“.
Mehrere Szenarien werden vorgestellt
Durchgespielt wurden mehrere Szenarien – im Bericht Bezug genommen wird auf zwei davon: „Too Little Too Late“, also ein Zuwenig an Maßnahmen, die noch dazu zu spät kommen (so ließe sich die aktuelle Lage wohl beschreiben) und „Giant Leap“ als großer Sprung, gespeist vom Mut zu tiefgreifenden Veränderungen. Jeder Kehrtwende ist eine Problembeschreibung vorangestellt, dieser folgen die vorgeschlagenen Lösungen für das „Giant Leap“-Szenario und die möglichen Hürden. Gewagt werden Prognosen bis zum Ende des Jahrhunderts. Die Vorschläge sind nicht allesamt neu, sie werden analog einer Pyramide dargestellt – mit dem neuesten Vorschlag an der Spitze. Bei der Überwindung der Armut reicht die Skala beispielsweise von der Erweiterung der politischen Spielräume (etwa durch Entschuldung der ärmsten Länder) über eine Re-Regionalisierung des Handels (mit Schutzzöllen u. a.) bis hin zu neuen Wachstumsmodellen, für die neue Technologien kostenfrei zur Verfügung gestellt werden sollen (der neueste der Vorschläge). Zur Überwindung der Ungleichheit werden progressive Steuern sowie eine Stärkung der Gewerkschaften und – an der Spitze der Maßnahmenpyramide – die Einführung einer Allgemeinen Grunddividende vorgeschlagen.
Ausführlich wird die Ernährungswende behandelt. Vorgeschlagen werden Ansätze der regenerativen Landwirtschaft, die den Humusaufbau der Böden fördert. Kunstdüngereinsatz wird nicht gänzlich abgelehnt, soll aber drastisch sinken, Monokulturen sollen zurückgedrängt, dafür Mischkulturen oder Agroforstsysteme gefördert werden. Erhofft werden auch neue Technologien der Präzisionslandwirtschaft. Nahrungsmittelverluste und -verschwendung müssen minimiert werden: sechs Prozent der Treibhausgase entfallen nämlich allein auf diese Form der Verschwendung.Schließlich gehe es um ein anderes Ernährungsverhalten – gesunde Lebensmittel müssen attraktiver und leichter erhältlich sein, industriell verarbeitete, aus denen Konzerne die meisten Gewinne lukrieren, seien zurückzudrängen.
Bleibt jene Wende, die in Klimadebatten meist am Anfang steht, nämlich jene der Umstellung unseres Energiesystems. Die Autor:innen sind auch hier zuversichtlich, dass der Abschied von den fossilen Energieträgern bis zur Mitte des Jahrhunderts gelingen wird. Gesetzt wird neben erneuerbaren Energiequellen auf mehr Effizienz, etwa durch andere Mobilitätsinfrastrukturen. 40 Prozent des gegenwärtigen Energieverbrauchs sollen so eingespart werden. Am Ende des Buches wird ein Wandel der Wirtschafts- und Finanzstrukturen skizziert. Während aktuell ein großer Teil der von der Allgemeinheit erwirtschafteten Erträge den Vermögenden zufließt („Rentierskapitalismus“), soll das wirtschaftliche „Spielbrett“ derart umgestaltet werden, dass die Finanzströme zu den für die Wenden notwendigen innovativen Unternehmen und über die einzurichtenden Fonds an die Bürger:innen gehen sollen – im Sinne der Teilnahme an einer modernen Allmende.
Ein Bericht voller Gestaltungsoptimismus
Der Gestaltungsoptimismus dieses neuen Club of Rome-Berichts ist groß. Wohltuend fällt die Abkehr vom Eurozentrismus und die Forderung nach neuen Wirtschaftsstrukturen auf. Mit Spannung zu erwarten ist auch das versprochene Online-Tool, mit dem eigene Szenarien durchgespielt werden können.