Öko-Effizienz in Leben und Arbeit - Alternative zum Raubbau

Ausgabe: 1999 | 3

Waren die bisherigen Weltausstellungen, deren erste 1851 in London ihre Pforten öffnete, vor allem darauf ausgerichtet, als industrielle Leistungsschau der Superlative die Beherrschung der Natur vor Augen zu führen, so stehen nächstes Jahr in Hannover, der ersten in Deutschland stattfindenden Großveranstaltung dieser Art, Mensch und Natur im Zentrum. Ein Themenpark wird sich den Grundbedürfnissen des Menschen, insbesondere den Bereichen Ernährung, Gesundheit, Energie, Mobilität sowie Wissen (Information / Kommunikation) widmen, und dabei vor allem Beispiele und Perspektiven einer global nachhaltigen Entwicklung thematisieren. Die „Expo 2000“ als Pforte zum Jahrhundert der Umwelt? Ernst U. v. Weizsäcker, Leiter des renommierten „Wuppertal-Instituts“ und seit kurzem auch Mitglied des Deutschen Bundestages (SPD), ist davon überzeugt. „Ein großer Zorn über den hochtechnisierten Raubbau des 20. Jahrhunderts und seine Antriebskräfte dürfte zu einer tiefgreifenden Diskreditierung der Ökonomie und Wirtschaftspolitik heutiger Prägung führen.“ (S. 21)

Daß Wirtschaft und Umwelt zum Vorteil beider Seiten versöhnbar sind, dies ist indes weit mehr als graue Theorie. An zahlreichen Beispielen - von Kleinprojekten wie dem (so gut wie) abwasserfreien Haus oder dem von dem Solararchitekten in Freiburg /Br. realisierten „Plusenergiehaus“ über innovative Formen der kommunalen Energieversorgung (bei RWE) oder Wassersanierung (Berlin) bis hin zur Umsetzung der „energieökologischen Modellstadt“ Ostritz - werden eindrucksvoll und allgemein verständlich Projekte realisierter Öko-Effizienz beschrieben. Dem Umbau der (materialintensiven) Konsum- zur „ressourcenschonenden Dienstleistungsgesellschaft, „grünen“ Aktien sowie einigen erfolgreichen Wegbereitern des „Umwelt-Jahrhunderts“ sind weitere Ausführungen v. Weizsäckers gewidmet.

Von gleichfalls hohem Niveau sind die weiteren vier Beiträge in diesem Band. Katsuo Seiki, dem jüngst verstorbenen Mitglied der „Global Scenario Group“, ist ein richtungsweisender Beitrag zur Nachhaltigkeitsdebatte zu danken. Er beschreibt sechs Szenarien globaler Entwicklung, die von den Faktoren Bevölkerung / Wirtschaft / Umwelt / Gerechtigkeit / Technische Entwicklung und Konflikte determiniert werden, skizziert Schwerpunkt der (staatlichen) japanischen Zukunftsplanung und plädiert für einen globalen „Technologiepakt“ um dem Ziel „Nachhaltige Weltgesellschaft“ zu realisieren.

 „Vier Pfade in die Zukunft der Niederlande“, jeweils gestützt auf konkretes Datenmaterial, steuert der Umweltökonom Harmen Verbruggen bei, wobei er - ein spannendes Detail unter vielen - in den beiden Szenarien „starker Nachhaltigkeit“ von 20,3 (!) Stunden bezahlter Wochenarbeitszeit - derzeit in den Niederlanden durchschnittlich 27,5 - ausgeht.

Martin Khor, Direktor des „Third World Network“ in Penang/Malaysia, ist mit einem ebenso mutig-vehementen wie faktenreichen Beitrag über die mächtigen Gewinner der Globalisierung (WTO, Weltbank und OECD) vertreten und fordert eine Stärkung der UNO auf dem Weg zu einer „durchsetzungsfähigen und demokratischen Weltregierung“.

Wirtschafts- und sozialgeschichtlich grundierte Überlegungen zur Selbstbestimmung in Lateinamerika von Henri Acselrad beschließen den Band.

Ein fundierter, wichtiger Impuls, um der „Ratlosigkeit und Tatenlosigkeit geprägten Umweltdiskussion“ (v. Weizsäcker, S. 108) durch Aufklärung, Engagement und Beispielhaftigkeit entgegenzuwirken. W. Sp.

Link: Global Scenario Group: http://www.gsg.org/

Weizsäcker, Ernst Ulrich v. (...): Das Jahrhundert der Umwelt. Vision: Öko-effizient leben und arbeiten. Frankfurt/M.: Campus, 1999. 235 S. (Die Buchreihe der „Expo 2000“; 4) DM 36,- / sFr 33,- / öS 263,-