Gabriella Rosen Kellerman, Martin Seligman

Gabriella Rosen Kellerman, Martin Seligman: Tomorrowmind

Ausgabe: 2024 | 1
Gabriella Rosen Kellerman, Martin Seligman: Tomorrowmind

In „Homo Prospectus“ hat Martin Seligman als Co-Autor die These vertreten, „dass das wesentliche Merkmal unserer Spezies die Fähigkeit ist, sich die Zukunft vorzustellen und sie zu planen“. In seinem neuen Buch, das der Psychologe zusammen mit der Mental-Health-Expertin Gabriella Rosen Kellerman geschrieben hat, wird diese These nun aufgegriffen (S. 184) – und die Fähigkeit zur Prospektion erhält eine Schlüsselrolle als zentrale Zukunftskompetenz. Das Argument kurz zusammengefasst: Als Jäger:innen und Sammler:innen mussten die frühzeitlichen Menschen bereits Tage bis Wochen vorausblicken. Die landwirtschaftliche Revolution erweiterte den Planungshorizont dann auf längere Zeiträume; Aussaat, Ernte, Saatgutgewinnung, Vorratshaltung waren vorauszusehen und zu planen. Mit der industriellen Revolution rückte dann aber die gleichmäßige Ausführung klar definierter, unmittelbar zu erledigender Einzelaufgaben in den Fokus der arbeitenden Menschen; Prospektion verlor an Bedeutung. „Jetzt hat sich das Blatt wieder gewendet“, schreiben Kellerman und Seligman. „Die heutigen Veränderungen in der Arbeitswelt haben die Prospektion wieder ganz oben auf die Liste der wesentlichen Fähigkeiten von Arbeitskräften katapultiert“ (ebd.). Mit dem ständigen, schnellen und unvorhersehbaren Wandel Schritt zu halten, ihm vielleicht zuvorzukommen, verlange prospektive Fähigkeiten. „Prospektion ist die Metakompetenz unserer Zeit“, so das Autor:innenduo. Sie „ist eine Fähigkeit, die wir als Spezies erst noch in vollem Umfang entwickeln müssen“ (S. 206). Trotz manchem dick aufgetragenen Superlativ – Prospektion als „Superkraft“ zum Beispiel (Kapitel 8) – ist „Tomorrowmind“ eine dichte, fundierte Darstellung, die sich vor allem durch vernetztes Denken auszeichnet. Die Grundhaltung ist positiv-optimistisch: Prospektion lässt sich lehren und lernen. Hinzu kommt ein starkes und selbstbewusstes Argument: Auch wenn das Gehirn des Menschen sich durch die lange Entwicklungsgeschichte hindurch auf andere Fähigkeiten eingestellt hat, versetzt uns das gesammelte Wissen der Verhaltenswissenschaften in die Lage, mit dem neuartigen Wandel unserer Zeit umzugehen. Die Verhaltenswissenschaften als Rettungsanker in einer Zeit schnellen und unübersichtlichen Wandels. Dahinter steht die Hoffnung, dass das gesammelte Wissen über den Menschen der Menschheit eine neue Entwicklungsperspektive eröffnet.