Neue Modelle der Arbeitszeitgestaltung

Ausgabe: 1998 | 3

Obwohl laut Umfragen zwei von drei Erwerbstätige über Zeitdruck klagen und mehr als 50% mit ihrer aktuellen Arbeitssituation unzufrieden sind, hat sich die Flexibilisierung der Arbeitszeit im Gegensatz zur Verkürzung der tariflichen Arbeitszeit ohne größere gesellschaftliche Konflikte durchsetzen lassen. Die erstaunlich hohe Akzeptanz beruht auf der Hoffnung, daß sich a la longue der Wunsch nach größerer Zeitsouveränität wird verwirklichen lassen. Vor diesem Hintergrund gibt der vorliegende Sammelband - Ergebnis eines Forschungsprojekts des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen aus dem Jahr 1997 - Auskunft über die erwarteten und realen Auswirkungen von Zeitkonten auf die Lebensqualität betroffener ArbeitnehmerInnen.

Hartmut Seifert verweist auf erste Anfänge von Gleitzeitmodellen in den 60iger Jahren. Daneben haben sich im Laufe der Zeit alternative Typen wie Überstundenkonten, Ansparmodelle oder Bandbreitenmodelle entwickelt. Die Unterschiede liegen in den Intervallen der zeitlichen Anpassung. Von einem maximalen Abgleich für einige Wochen über Perioden von einem Jahr bis hin zu lebenslangen Zeitkonten reichen hier die Optionen. Das Interesse an Überstunden sieht Petra Radke bei Leuten mit niedrigerem beruflichen Status stärker ausgeprägt. Laut Robert Sadowsky liegt die Motivation zur Einführung von Arbeitszeitkonten seitens der Beschäftigten vor allem in der damit verbundenen Sicherung des Arbeitsplatzes. Erst in zweiter Linie werden Zeitsouveränität, die Möglichkeit des früheren Ausstiegs oder Sabbaticals genannt. Die Arbeitgeberseite erwartet sich hingegen die Möglichkeit, Mehrarbeit zuschlagsfrei anordnen und somit flexibler auf kurzfristige Kundeninteressen reagieren zu können. Diese höhere Verfügbarkeit der Beschäftigten in Zeiten besserer Auftragslage stärke die Liquidität der Unternehmen und sichere so wiederum Arbeitsplätze. Jürgen Rinderspacher hält diesem Argument entgegen, daß diese Form, tendenziell immer abrufbar zu sein, an die Beweglichkeit der Beschäftigten eine weit höhere Anforderung stellt. da Alltagsorganisation, Lebensziele und Wohnorte aufeinander abgestimmt werden müssen. Er plädiert angesichts des temporären Verzichts auf die Souveränität - in Analogie zum Geldkonto - für eine Verzinsung der angesparten Zeit. Weitere Ansatzpunkte für eine sozialverträgliche Gestaltung von Zeitkontenmodellen benennt Christina Klenner: Zugriffsrechte der Arbeitnehmer auf ihre Zeitguthaben, Mindestankündigungsfristen für Arbeitszeitverlängerung und Freizeitentnahme, Höchstgrenzen für die Kontostände sowie Höchstarbeitszeiten. Der Bericht von Gottlieb Förster bestätigt, daß in der Praxis bereits viele Punkte in gegenseitigen Einvernehmen gelöst werden.

Eine besondere Note erhält dieses Buch durch den Beitrag von Andreas Hoff, der sich Gedanken über mangelndes Vertrauen als Nährstoff für Zeitkontenführung macht und deren Sinn angesichts der zunehmenden Bedeutung von Arbeitsergebnissen generell hinterfragt.


B. E

Zeitkonten - Arbeit a la carte? Neue Modelle der Arbeitszeitgestaltung. Hrsg. v. Christina Klenner ...Hamburg: VSA-Verl., 1998. 190 DM 24,80 / sFr 23, - / öS 181,-