Evke Rulffes

Die Erfindung der Hausfrau

Ausgabe: 2022 | 3
Die Erfindung der Hausfrau

Die Unsichtbarkeit von Frauen und der von ihnen geleisteten Arbeit ist zu einem zentralen Topos geworden. Es geht dabei um reale Diskriminierung und um Wahrnehmungsmuster, die diese verschleiern. „Weibliche Unsichtbarkeit“ beschreibt eine systemische Dimension der Diskriminierung, die tiefer liegt als die greifbaren und offensichtlichen Formen von Benachteiligung. Es geht um das, was ausgeblendet bleibt, weil durch die männliche Dominanz in Wissenschaft, Wirtschaft und Politik die Paradigmen anders gesetzt wurden – gleich einem Scheinwerfer, der manches ausleuchtet, anderes aber im Dunkeln lässt.

Zur „Weiblichen Unsichtbarkeit“

Drei Bücher vor allem haben sich um diese Vertiefung verdient gemacht. So weist die Journalistin und Aktivistin Caroline Criado-Perez nach, dass die in der Gesellschaft erhobenen Daten Frauen systematisch nicht abbilden – eine „geschlechterbezogene Lücke“, die Frauen systematisch benachteiligt. Die Sozial- und Systemwissenschaftlerin Riane Eisler wiederum zeigt, dass Fürsorge und Care-Arbeit, also die spezifische vorwiegend von Frauen geleistete Art von Arbeit, in der etablierten Wirtschaftstheorie und -praxis ausgeblendet bleibt. Und die Frühhistorikerin Marylène Patou-Mathis schließlich zerstört den hartnäckigen Mythos, dass sich das Leben der Frauen in früher Zeit aufs eigene Heim konzentrierte, während die Männer für Schutz, Jagd und Krieg zuständig waren. Sie zeigt detailliert, dass die Geschichtswissenschaft über eineinhalb Jahrhunderte lang von einer Ideologie geprägt war, die Frauen systematisch abwertete. Weibliche Unsichtbarkeit ist die systemische Form der Diskriminierung von Frauen. Und sie hat dieselben Wurzeln wie die Ablehnung alles Fremden und Andersartigen in Form des Rassismus.

Viel an Recherche wird noch nötig sein, das Wirken dieser Diskriminierung durch Konstruktion von Wahrnehmungsmustern nachzuzeichnen und zu zeigen, wie sich diese sich in realer Benachteiligung gewissermaßen verdinglichen. Etwa wie das Rollenbild der Hausfrau, das den Wirkungskreis der Frau auf das eigene Heim beschränkt und zugleich ihre dort geleistete Arbeit entwertet und unter den Wahrnehmungshorizont drängt, sich gesellschaftlich durchsetzen und so große Macht entfalten konnte. Das ist das Thema von Evke Rulffes und ihrem Buch Die Erfindung der Hausfrau. Darin zeigt sie, wie dieses wirkmächtige Rollenbild entstand und aus ideologischen Motiven durchgesetzt wurde.

Die Autorin schöpft dabei vor allem aus einer frühen Form der Ratgeberliteratur, die im 17. und 18. Jahrhundert recht verbreitet war: Alltagsratgeber für die Bewirtschaftung von großen Landhaushalten, konkret Die Hausmutter in allen ihren Geschäften, erschienen 1778 bis 1781. Diese Hausmutter ist allerdings nicht identisch mit der Hausfrau. Sie ist die Betriebsleiterin, die über eine mehr oder weniger große Zahl von Bediensteten verfügt, Einblick in die Finanzen hat, um ihren Mann gegebenenfalls vertreten zu können, die das Personal anleitet und ihr Haus gesellschaftlich repräsentiert. Dieses Rollenmodell aber erodiert. In einer historischen Umbruchsituation, als sich die moderne bürgerliche Gesellschaft zu formieren beginnt, entsteht die Hausfrau als neues Rollenmodell. Die Frau wird „von der Herrin im Haus zur Dienerin am Mann“ (S. 208). Entscheidend dabei: die Idealisierung der Mutterrolle. „Der Wandel von der Figur der Hausmutter als tatkräftiger, zum Vermögen des Hauses produktiv beitragender Hälfte des Arbeitspaares zur Figur der bürgerlichen Hausfrau, deren Aufgaben als durchweg reproduktiv angesehen werden, verläuft über die Schnittstelle der Figur der Mutter.“ (S. 208)

Mit dem Aufkommen des Bürgertums wurde männliche Arbeit „zunehmend mit dem sich professionalisierenden Beruf, weibliche Arbeit mit ihrem Geschlecht verknüpft.“ (S. 226) Bürgerliche Ehefrauen übernahmen zunehmend auch Haushaltstätigkeiten, die zuvor als bezahlte Dienstleistungen ausgeführt worden waren – nun unentgeltlich. Hinzu trat ein ideologisches Motiv: die Theorie vom aktiven Mann und der passiven Frau, die in der Rolle der Dienerin und Mutter aufgeht. Propagiert wurde dieses „neue idealisierte Mutterbild“ (S. 173) vom preußischen Staat aus bevölkerungspolitischen Motiven.

Vielerlei, schlaglichtartige Einblicke

Rulffes‘ Quellenstudie bündelt wie ein Brennglas Diskurse der Zeit. Sie liefert aber wegen des kurzen Erscheinungszeitraumes der Hausmutter-Ratgeber allenfalls schlaglichtartige – und zuweilen recht detailverliebt verfasste – Einblicke in die historische Entwicklung. Der Anspruch, den Wandel von der Hausmutter zur Hausfrau zu erklären, stützt sich dann mehr auf Sekundärquellen. Dennoch ist dieses Buch ein wichtiger Beitrag, die Unsichtbarkeitslücke zu schließen. Und es bietet Einblicke in Ernährung, Wohnen und Hygiene in einer zurückliegenden Zeit, in der gleichwohl die Weichen für die Diskriminierung der Frauen heute gestellt wurden.