Moden und Trends vor der Jahrtausendwende

Ausgabe: 1998 | 1

Am 6. April 1997 begann der Countdown zur Jahrtausendwende. 1000 Tage noch, wie der vorliegende Titel suggeriert, dann erst beginnt die Zukunft und das, obwohl sie, mit Robert Jungk zu sprechen, zumindest seit 1952 "schon begonnen hat". Die selbsternannte ”Millenniums-Archivarin" Andrea Hurton weist darauf hin, daß bereits heute - und nicht erst in 1000 Tagen - die merkwürdigsten Visionen, Sehnsüchte, Phantasien, Ängste und Endzeitgefühle aus den verstaubten Nischen unseres alten Jahrhunderts sprießen. Sie beleben den Buchmarkt und halten die Vorbereitungen für das Jahr 2000 in vollem Gang. Die Faszination markanter Jahreswechsel scheint in der Tat ungebrochen, obwohl Silvester 1999 bei den Juden die Mitte des Jahres 5760, das 11. Jahr der Heisci-Dynasty bei den Japanern und das Jahr 1921 in der Zeitrechnung des hinduistischen Kulturkreises ist. Nichts desto weniger wird unser Zeitmaß und der damit fällige Jahrtausendsprung einen Großteil des Erdballs erfassen. Die Superlative stehen im Vordergrund: vom Megafeuerwerk (Berlin), über die Millennium Exhibition (London) bis zum Megaball (Wien) etc. reicht die Palette zeitgeistiger Eventkultur.

An der Wegmarkierung zur Jahrtausendwende beschreibt Hurton zunächst in einem interessanten Rückblick auf frühere Datumswechsel, wie einst damit umgegangen wurde. Anschließend beschäftigt sich die Redakteurin mit Hauptströmungen des Zeitgeists, Moden, Lifestyle und Ästhetik (in den Kapiteln Dekadenz, Zukunft zwischen Spiritualismus und Futurismus sowie Produktivfaktor Kultur), die uns in den nächsten Jahren - und darüber hinaus - beschäftigen werden. Ihr geht es weniger um Fin de siede und Untergang, sondern um den Prozeß, der Komplexität und Vielfalt verspricht. Den Begriff "Dekadenz" als einer der großen kulturellen Trends zur Jahrtausendwende umschreibt für sie als den "Prozeß des Abschiednehmens von untergehenden Lebensformen" (S. 205). Die Rede ist auch von Grenzüberschreitungen, von einer Überforderung der Sinne, von Okkultismus und Spiritualismus. Gegen Ende des Buches verflacht die anfangs noch überzeugende Darstellung, da nicht viel mehr als Trendschlagworte wie Renewal, Self-Development oder Personality-Shaping, Artworking, Networking, Culture Surfing u. v. a. m. zum Besten gegeben werden. Insgesamt aber eine kurzweilige Einstimmung auf den 31.12.1999.

A. A.

Hurton. Andrea: 1000 Tage bis zur Zukunft. Moden und Trends am Vorabend der Jahrtausendwende. Düsseldorf (u.a.): Econ-Verl., 1997. 256 S. (Ed. Zukunft) DM 48, - / sFr 44,50 / öS 355,-