Bettina Ludwig

Unserer Zukunft auf der Spur.

Ausgabe: 2023 | 3
Unserer Zukunft auf der Spur.

Schaut man sich den westlichen Diskurs zur Zukunft der Menschheit an, möchte man vielleicht den Mut verlieren und sich damit abfinden, dass es bergab geht. Der Mensch braucht mehr, er will um Dinge konkurrieren und Frieden liegt nicht in seiner Natur. Hier setzt die Kulturanthropologin Bettina Ludwig an und klärt über die Mär der „Natur des Menschen“ auf.

Sie beginnt bei der axiomatischen Trennung von Natur und Kultur. Kultur ist jedoch Teil der menschlichen Natur, und wie wir uns „kultivieren“ ist abhängig von unserem Menschenbild und damit formbar. Das Menschenbild setzt die Prämisse für unser Denken und unsere Einordnung in die Welt. Mit den heutigen westlichen Normen und Werten sähe das in etwa so aus: Der Mensch ist von Grund auf gewaltbereit? Wir können Kriege nicht verhindern; Zeit muss genutzt werden? Wir müssen planen und dürfen sie nicht verschwenden; Ich kann besitzen? Ich stehe in Konkurrenz mit anderen.

Wenn das Menschenbild die Programmierung der Kultur ist, was würde geschehen, würde man die Prämissen in dem kleinen Frage-Antwort-Spiel umdefinieren? Oder nehmen wir sie weiterhin als naturgegeben war, wodurch sie zur selbsterfüllenden Prophezeiung werden?

Diesem Gedankenspiel geht Ludwig nach, indem sie ihre Forschung über Jäger:innen- und Sammler:innengesellschaften gegenüberstellt. Deren Naturverbundenheit wird gerne mystifiziert – als etwas, das die rationale, westliche Gesellschaft nicht beherrscht. Beispielsweise Spurenlesen wird so schnell zur magischen Intuition, die besondere Wahrnehmung der Umgebung ist aber nichts anderes als Expert:innenwissen – Wissenschaft, nur eben anders. Ohne dieses romantische Bild ursprünglicher Kulturen haben wir weniger Futter, um unsere Abgrenzung von der Natur aufrecht zu erhalten – sie sind nicht natürlicher, sie haben nur andere sozial konstruierte Werte (z. B. Teilen statt Besitz) als Prämissen ihres Denkens: Es gibt also verschiedene Möglichkeiten, die Kultur und damit auch die Zukunftsfähigkeit einer Gesellschaft zu programmieren.

Ludwigs Betrachtung zeigt, dass ein Ändern unserer Denkprämissen prinzipiell möglich ist und wie viel Macht darin liegt. Sie zeigt uns einen Weg aus der selbsterfüllenden Prophezeiung, die uns fatalistisch in die Zukunft blicken lässt und liefert damit einen im besten Sinne ermächtigenden Denkansatz.