Im Reigen der Verfasser politischer Bestseller setzt der US-amerikanische Politikwissenschaftler Samuel P. Huntington einen zeitgeistigen Kontrapunkt. Formulierte Francis Fukuyama zu Beginn der neunziger Jahre noch vollmundig den endgültigen Sieg von Marktwirtschaft und liberaler Demokratie und damit nichts weniger als das "Ende der Geschichte", lädt das im Klappentext als "Kultur-Knall-Theorie" bezeichnete Elaborat Huntingtons zu westlicher Wehrhaftigkeit wie zu neuer Bescheidenheit gleichermaßen ein. Die Geschichte ist schnell erzählt: Nach dem Ende der Bipolarität und der Zurückdrängung der damit verbundenen Konfliktlinien werde die Weltpolitik des 21.Jahrhunderts von der Konfrontation der großen Kulturkreise bestimmt sein. Die da sind: der sinische, der japanische, der hinduistische, der islamische, der westliche, der lateinamerikanische (als ”Sproß" europäischer Kultur freilich), und der afrikanische. Fragen der Herkunft und Religion, von Sprache, Werten, Sitten und Gebräuchen würden zu zentralen Determinanten weltpolitischen Geschehens. Die Ebenen des Politischen, Ökonomischen und Ideologischen müßten damit an Bedeutung verlieren und werden in der Folge auch konsequent von Huntington ignoriert. Das umfangreiche Werk kann in analytischer Hinsicht auf die folgenden Grundmerkmale zurückgeführt werden: Die Argumentation des Autors verläuft grundsätzlich monokausal. Dem Paradigma des Clash of Civilizations werden Konflikte von Chiapas bis Ex-Jugoslawien, vom zweiten Golfkrieg bis zum US-amerikanisch-japanischen Handelskrieg, unter strikter Nichtbeachtung soziökonomischer Zusammenhänge untergeordnet. Des Weiteren wird mit einem deterministischen Kulturbegriff operiert. So folgen etwa Festschreibungen von scheinbar unausweichlichen Zusammenhängen zwischen demographischer Entwicklung und ethnischen Konflikten; sozial geprägte Verhaltensweisen wie Feindschaft und Konkurrenz werden wesensmäßig zugeordnet und in einem teilweise biologistischen Jargon notiert. Der Ansatz des Autors ist darüber hinaus in seiner Grundstruktur kulturchauvinistisch. Der Westen 'müsse, so erfahren wir, seinen universalistischen Anspruch in der Außendimension aufgeben und den Multikulturalismus im Inneren abwehren, um seine durchwegs normativ gemeinte Einzigartigkeit bewahren und mit militärischer Stärke schützen zu können. Zur Untermauerung dieser Notwendigkeit entwirft Huntington ein offensichtlich von aktuellen Hollywood Produktionen inspiriertes Szenario, einen wahrhaft drehbuchreifen Weltkrieg der Kulturen, zu dem der vermutlich versöhnlich gemeinte Ausklang, wonach sich die großen Kulturkreise in einem ”Kampf gegen die Barbarei" treffen könnten, nicht so recht passen will. G. S.
Huntington Samuel P: Kampf der Kulturen. Die Neugestaltung der Weltpolitik im 21. Jahrhundert. München (u.a): Europaverl., 1996. 584 S.