Christiane Meyer (Hg.)

Transforming our World

Ausgabe: 2023 | 2
Transforming our World

Christiane Meyer ist Professorin für Didaktik der Geografie an der Leibniz Universität Hannover und hat ein Forschungsprojekt „Verantwortung, Vernetzung, Vertrauen – Zukunftsdiskurse zur Umsetzung der UN-Agenda 2030 und ihrer Nachhaltigkeitsziele mit Partizipation von ‚Agents for Future‘“ koordiniert. Neben einer Aufarbeitung der aktuellen Literatur standen vier Zukunftsdiskurse im Zentrum, die pandemiebedingt allesamt online durchgeführt wurden. Vier Bereiche wurden beleuchtet, die in Anlehnung an eine bekannte Klimabewegung mit „Communities for Future“, „Education for Future“, „Economics for Future“ sowie „Consumers for Future“ überschrieben sind.

Einblick in diverse Handlungsfelder

Im vorliegenden, äußerst erhellenden Band werden die Ergebnisse dokumentiert. Einführenden Beiträgen zu den jeweiligen Diskursen folgen Zusammenfassungen der Online-Diskussionen sowie weiterführende Texte von Mitwirkenden. Als Leser:in erhält man einen guten Einblick in die Debatten zu den einzelnen Handlungsfeldern. Für manche neu könnte der Bezug zur Tiefenökologin Joana Macy sein, die drei „Dimensionen des Großen Wandels“ unterscheidet: 1. Protestaktionen und zivilgesellschaftliches Engagement, 2. Veränderung der Strukturen durch die Entwicklung von Leben erhaltenden Systemen, 3. Wandel im Bewusstsein (S. 11).

Unter den ersten Bereich werden neben Protesten auf der Straße sowie Kampagnen von NGOs und Stiftungen auch Einrichtungen wie Suppenküchen, kostenlose medizinische Versorgung für Obdachlose, der Einsatz für Immigrant:innen, aber auch Whistle Blowing genannt. Im Abschnitt zu „Consumers for Future“ wird beispielsweise kritisch auf Tools wie den Ökologischen Fußabdruck eingegangen, die die Verantwortung allein den Individuen zuschieben und obendrein im Negativen verharren. Anders das Projekt „Handabdruck“ von Germanwatch und Brot für die Welt, welches konkrete Handlungsvorschläge für Schulen und Universitäten, Kommunen, Unternehmen und Politik vorstellt. Der „Hand Print“ wurde ursprünglich von der indischen Organisation CEE als offenes Konzept positiven Handelns ins Leben gerufen, um „kollektive Selbstwirksamkeit“ zu fördern, wie Marie Heitfeld in ihrem Beitrag betont.

Diese Handlungsvorschläge verweisen auf den zweiten Bereich, der Veränderung von Strukturen für „lebenserhaltende Systeme“. Neben politischen Forderungen wie CO2- und Vermögenssteuern versteht Christiane Meyer darunter aber auch Neuansätze wie Ökodörfer, Transition Towns, Saatgutbanken, Fairtrade-Produkte, eine ganzheitliche Gesundheitsvorsorge sowie Ansätze der Bildung für nachhaltige Entwicklung (S. 14). Im Buch findet man Konzepte für nachhaltige Kommunen (vorgestellt wird u. a. eine gemeinwohlzertifizierte Gemeinde sowie ein Dashboard, das die Sustainable Development Goals auf kommunale Ebene herunterbrechen soll), das Modell der Kreislaufwirtschaft (vorgestellt von Burcu Gözer und Henning Wilts vom Wuppertal Instituts), das Leitbild der Agrarkultur (Franz-Theo Gottwald u. a.) sowie der Ansatz der Postwachstumsökonomie (im Buch dargelegt von Niko Paech) sowie jener der Commons (vorgestellt von Silke Helfrich).

Neuansätze in Bildung und Lehre

Dem dritten Bereich, dem Wandel des Bewusstseins, zuzuordnen sind Neuansätze in der Bildung und Lehre (mit Beiträgen von Gerald Hüther, Marcell Heinrich und Margret Rasfeld, Initiatorin von „Schule im Aufbruch“). Im Sinne einer „Gaia Education“ nach Joana Macy werden alle Neuansätze von intrinsischen Werten geleitet, so Meyer. Schlüsselorientierungen dabei seien vier „keys“: „ecological key“, „economic key“, „social key“ sowie „worldview key“ (S. 14). Reflektiert werden auch psychologische und systemische Barrieren des Wandels (Gerhard Reese). Viele der Beiträge betonen daher das gemeinschaftliche Engagement, das neben individuellen Verhaltensänderungen, wichtig sei. „Wenn individuelles Handeln an Grenzen stößt, weil wir nicht wissen oder merken, dass unser Handeln etwas bringt, dann sollten wir uns einer sehr menschlichen Eigenschaft besinnen: Menschen sind Gruppenwesen.“ (Reese, S. 238). Rasfeld ergänzt: „Der zentrale Auftrag von Bildung heute ist, junge Menschen zu befähigen, gerechte, friedliche, tolerante und inklusive Gesellschaften zu gestalten.“ (S. 139f.). Bildung müsse diese Werte kultivieren. Dafür braucht es neue Räume, wie Silke Helfrich betont: „Wir können auch Städte so entwickeln, dass möglichst viel Raum für Selbstorganisation statt möglichst viele Quadratmeter Verkaufsfläche entstehen.“ (S. 248). Niko Paech wiederum betont das Erlernen des Sich-Begrenzens. Die Wiedererlangung ökologischer Überlebensfähigkeit sei „kein Unterfangen des zusätzlichen Bewirkens, sondern der kreativen Unterlassung und Reduktion“ (S. 200).

Ein wertvoller Band

Resümee: Der Band zeigt viele Neuansätze auf. Ebenso wertvoll sind die Einführungen der Projektleiter:innen in die Fachdiskurse zu den angesprochenen Handlungsfeldern.