Sechs kurze Rezensionen finden Sie nachfolgend, geschrieben von Paul Marsden, Anja Bachl, Katharina Schnitzler, Luisa Wilczek, Dhenya Schwarz, Carmen Bayer. Im Fokus: Heather McGhee, Elisabeth Lechner, Catrin Misselhorn, Noreena Hertz, Yuvel Noah Harari, Wolfgang Kaleck.
Heather McGhee: The Sum of Us
Heather McGhee spricht über US-Politik und -Gesetzgebungen, rekapituliert das letzte halbe Jahrhundert und erkennt ein immer schlechter werdendes Wohlfahrtssystem, unter dem der Großteil aller Amerikaner:innen leidet. Als Basis für diese Entwicklung erkennt die Datenwissenchaftlerin Rassismus. Sie zeigt, wie eben dieser an jedem Wendepunkt, jeder politischen Richtlinienänderung entscheidenden Einfluss auf das Wohl aller hatte und hat. Sie zeigt, wie internalisiert eine Oben/Unten-Dialektik ist, also der Gedanke, dass es einer Gesellschaftsschicht schlecht gehen muss, damit eine andere brillieren kann. Ein extrem wichtiges Buch. PM
Heather McGhee: The Sum of Us. What Racism Costs Everyone and How We Can Prosper Together. One World, New York 2021; 448 Seiten
Elisabeth Lechner: Riot, don’t diet! Aufstand der widerspenstigen Körper
Körper werden bewertet, diskriminiert, wenn sie nicht einer soziokulturellen Norm, einem Hirngespinst, entsprechen. Schönheitskonzepte sind etwas zutiefst Politisches. Das wurde nicht zuletzt durch viele kleine und große Beiträge in der Body Positivity Bewegung gezeigt. Hier setzt Elisabeth Lechner an. Erklärt. Und denkt weiter, tritt darüber hinaus. Lässt uns scheinbare Ideale hinterfragen, stellt Mechanismen von Beeinflussung und Eingrenzung zur Diskussion. Riot don‘t diet! ist ein Ausruf. Ein Aufruf. Um das Konzept und den Begriff Schönheit aufzubrechen, um ein Miteinander, nicht nur, aber gerade auch in Form von politischer Repräsentation einzufordern. AB
Elisabeth Lechner: Riot, don’t diet! Aufstand der widerspenstigen Körper. Kremayr & Scheriau, Wien 2021; 240 Seiten
Catrin Misselhorn: Künstliche Intelligenz und Empathie. Vom Leben mit Emotionserkennung, Sexrobotern & Co
Menschliche Empathie und künstliche Empathie: was unterscheidet sie, was verbindet sie, werden Roboter bald Gefühle haben und was bedeutete das für uns Menschen im Umgang mit ihnen? Catrin Misselhorn geht diesen Fragen im Buch Künstliche Intelligenz und Empathie nach. Sie erläutert, was zwischenmenschliche Empathie ist, klärt Grundbegriffe menschlicher und artifizieller Empathie und verknüpft Theorie und Praxis im Kapitel „Können Roboter Schmerz empfinden?“. Aufschlussreich, spannend und lesenswert. KP
Catrin Misselhorn: Künstliche Intelligenz und Empathie. Vom Leben mit Emotionserkennung, Sexrobotern & Co. Reclam Verlag, Stuttgart 2021; 150 Seiten
Noreena Hertz: Das Zeitalter der Einsamkeit
„Es ist eine Zeit, in der sich große Teile der Gesellschaft allein fühlen, obwohl es nie einfacher war, miteinander in Kontakt zu treten“ (S. 318) Die Ökonomin Noreena Hertz zeigt in über 300 Seiten, was uns einsam macht, wie sich Einsamkeit auf unsere Gesundheit auswirkt und was die Gesellschaft, die Wirtschaft und die Politik dagegen tun können. Zu Beginn des Buches können die Leser:innen den Grad Ihrer eigenen Einsamkeit ermitteln – definitiv eine Thematik, die uns direkt oder indirekt betrifft. LW
Noreena Hertz: Das Zeitalter der Einsamkeit. Über die Kraft der Verbindung in einer zerfaserten Welt. Harper Collins, Hamburg 2021; 448 Seiten
Yuval Noah Harari: Sapiens
Dass ein gutes Leben und Wachstum nicht Hand in Hand gehen, zeigt uns Teil 2 der Comic-Buchreihe Hararis über die Menschheitsgeschichte: Die landwirtschaftliche Revolution hat begonnen – ein bittersüßer Fortschritt. Bunt, fantasievoll und manchmal sarkastisch erfahren wir, dass Landwirtschaft nicht nur für mehr Essen sorgte, sondern auch Ursprung eines harten Lebens, von Bevölkerungsexplosion, Überfällen und Kriegen für Macht und Besitz war – also Konsequenzen, die bis in unsere Zeit reichen und die Grundsteine für unsere moderne Welt gelegt haben. DS
Yuval Noah Harari: Sapiens. Die Falle. C.H. Beck Verlag, München 2021; 248 Seiten
Wolfgang Kaleck: Die konkrete Utopie der Menschenrechte. Ein Blick zurück in die Zukunft
Menschenrechten wird oft vorgeworfen, abstrakt zu sein, jenseits von geltendem Recht, sowie ein Privileg des globalen Nordens. Der Menschenrechtsanwalt Wolfgang Kaleck erkennt diese Vorwürfe an und relativiert sie zugleich mit seinem Verständnis einer konkreten Utopie. Mit diesem von Ernst Bloch stammenden Konzept will er die Möglichkeit „grundlegender gesellschaftlicher Veränderungen aufzeigen, die sich von abstrakten Utopien unterscheidet“. (S. 31) Kaleck beschreibt in seinem Buch viele Errungenschaften, die unter der Berufung auf die Menschenrechte erreicht wurden, betont jedoch auch deren gegenwärtige Grenzen. CB
Wolfgang Kaleck: Die konkrete Utopie der Menschenrechte. Ein Blick zurück in die Zukunft. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2021; 176 Seiten