Das 'asiatische Wirtschaftswunder' sei weder “asiatisch” noch “wundersam”, sondern “das Ergebnis von harter Arbeit, eisernem Sparwillen, hohem unternehmerischem Einsatz und am Ende vielleicht auch noch einer Portion ´Glück des Tüchtigen´” (S. 117), ist Oskar Weggel, China-Referent am Institut für Asienkunde in Hamburg, überzeugt. Auch die Krisen der letzten Jahre würden einer Weltentwicklung nicht Einhalt gebieten, in der sich Asien - in all seiner Heterogenität - als “geoökonmisch dynamischste Region der Erde” (S. 208) etablieren werde.
Der Asienkenner beschreibt die Gründe des Erfolgs der Wachstumsländer der Region (Effizienzversessenheit, Korporatismus, Exportorientierung, Investionsfreude, Leistung, Lernethik, Stabilitätsbewußtsein und Risikobereitschaft), er skizziert aber auch die großen sozialen und ökologischen Probleme, die auf die Länder Asiens mit ihren unterschiedlichen Entwicklungsgeschwindigkeiten zukommen, darunter allen voran das Bevölkerungswachstum v. a. in Südasien, die Zunahme der Kluft zwischen Armen und Reichen, die rasante Verstädterung inklusive Motorisierung (allein in Jakarta ist die Zahl der Autos innerhalb eines Jahrzehnts von 600.000 auf 3 Mio. angestiegen) sowie die sich verstärkenden Wanderungsbewegungen. Weggel rechnet mit 7,7 Mrd. Menschen, die um 2050 in Asien leben werden, 2 Mrd. davon würden arbeitslos bzw. arbeitssuchend sein (S. 180).
Der Autor sieht aber auch erste Lösungsansätze, etwa die geplanten Dezentralisierungsmaßnahmen durch “Entlastungsstädte” (neben bestehenden Metropolen werden neue Städte errichtet) oder das chinesische “Kleinstadtmodell”, welches den Zuzug in die Großstädte dämpfen soll. Er setzt auch auf die “Beziehungs”-Pflege der asiatischen Kulturen, in der er Ähnlichkeiten zur Kommunitarismusbewegung in den USA ausmacht, sowie auf die religiösen Traditionen der “Hinnahmebereitschaft und Leidensfähigkeit”, die sozialen Sprengstoff entschärfen könnten - eine Eigenschaft, die - so der Autor - hinsichtlich ökologischer Probleme jedoch eine große Belastung darstelle. Als Ökovorbild beschreibt Weggel den Stadtstaat Singapur, der sich nicht nur durch intakte Infrastrukturen (von der Kanalisation bis zum öffentlichen Verkehrsnetz) auszeichne, sondern auch durch ein bei uns unvorstellbares Ordnunsgdenken (die Besckränkung der Kfz wird etwa durch die monatliche Versteigerung einer beschränkten Zahl von Neuzulassungen erreicht!).
Vehement verwehrt sich der Experte gegen jene, die in Asien eine militärische Bedrohung sehen (das US-Militärbudget beträgt derzeit das 28-fache des chinesischen!) oder wirtschaftliche Gefahr für den Westen ausmachen (auch wenn der Titel des Buches unterschwellig ebenfalls mit dieser Angst spielt). Vielmehr fordert Weggel dazu auf, uns auf die asiatischen Kulturen einzulassen, asiatische Sprachen zu erlernen und - im eigenen ökonomischen Interesse - asiatische Spielregeln zur Kenntnis zu nehmen sowie - mit Fingerzeig auf Europa - mehr Präsenz in der Region zu zeigen.
H. H.
Weggel, Oskar: Wie mächtig wird Asien? Der Weg ins 21. Jahrhundert. München: Beck, 1999. 236 S., DM 24,- / sFr 22,- / öS 175,-