Heitere Hoffnungslosigkeit und ökologische Katastrophe

Ausgabe: 1996 | 4

 "Den Menschen trieb es dazu, seine kleine Sinngravur in die Welt einzuritzen. Er brachte jedoch nichts zustande als eine vergiftete Furche." Dieser, das "Vorspiel zum Finale" resümierende Gedanke, läßt Gregory Fuller - der aus den USA stammende Autor studierte Philosophie, Kultur und Sprachwissenschaft in Deutschland und arbeitet als Verlagslektor in Stuttgart - als Weggenosse Ulrich Horstmanns erscheinen. Mit diesem, der die "Krone der Schöpfung" in Anbetracht des von ihr in Gang gesetzten ruinösen Weltenlaufs schlichtweg als "Untier" bezeichnet und in furiosem Elan nichts weniger als das ehestmögliche Abtreten des Menschen von der Bühne "Welt" gefordert hatte, teilt Fuller vieles: Bar jeder Vernunft, so Fuller, habe sich "Homo sapiens ". seines Verstandes bedient, um "nackt, dynamisch, gierig sich selbst die Rechtfertigung seiner selbst und seines Handelns zu schenken". Und in der Tat: Lang und scheinbar ohne jede Aussicht auf Entkommen ist die Liste der Pyrrhussiege wider die Natur, "beispiellos der Vernichtungsfeldzug gegen die Arten, der sich gegen die Mörder kehren wird". Ohne sich selbst und seine Leser zu schonen, reiht Fuller die überwiegend irreversiblen und mutmaßlich auch für die Gattung Mensch todbringenden Folgen des Fortschritts aneinander: Ob Atomtechnologie, Chemie oder Genforschung, sie sind begleitet von Treibhauseffekt, Ozonloch und Übervölkerung und Naturkatastrophen, deren Ausmaß und Folgen für die nähere Zukunft uns kaum noch bewußt sind. Doch eines, so Fuller, ist klar: Vergeblich "spielen wir va banque, und hoffen dabei auf den großen Gewinn". Die Bilanz, wie Fuller sie zieht, und der Gewichtiges entgegenzusetzen nicht leichtfällt, ist knapp und ernüchternd zugleich: "Es ist", so schreibt er, "zu spät." Erforderlich wäre nichts weniger als sofortige Umkehr, ein “Super-Paradigmenwechsel". zu dem weder der einzelne noch die (vorgeblichen) "Kontrolleure des Geschehens - Gesetzgeber und Verwalter - fähig" sind. Was uns anempfohlen bleibt, ist ein "Totentanz ohne Trauer". Nicht selbstbezogene Gleichgültigkeit gelte es ob des Unwiderruflichen bis an den letzten Tag zu pflegen. Vielmehr plädiert Fuller - auch eingedenk der" Hoffnung als unausrottbarer Motivationsfaktor" - für "heitere Hoffnungslosigkeit". Ihr Ziel ist nicht die Ruhe der Resignation. Sie ist, im Gegenteil, Voraussetzung einer inneren Klarheit, die zu guter Letzt "in den zivilen Ungehorsam treibt". Als ein Stück "nackter Selbstachtung" bleibt demnach noch manches zu tun, gilt es doch "allen Signalen zum Trotz, den spezieseigenen Untergang vor Augen, im unendlich Kleinen sich für ein Weiterleben dieser Spezies auf Zeit einzusetzen". - Triebkraft Hoffnung zu allerletzt? W Sp.

 

Fuller, Gregory: Das Ende. Von der heiteren Hoffnungslosigkeit im Angesicht der ökologischen Katastrophe. Frankfurt/M.: Fischer, 1996. 126 S.