Corine Pelluchon

Ethik der Wertschätzung

Ausgabe: 2019 | 4
Ethik der Wertschätzung

Corine Pelluchon ist Professorin für Philosophie und Angewandte Ethik an der Université Paris-Est-Marne-la-Vallée und hat seit 2005 mehrere Monografien zu ihren Schwerpunktthemen Moralphilosophie, Politische Philosophie sowie Umwelt-, Bio- und Tierethik publiziert, die bisher allerdings hauptsächlich auf französischer Sprache zu lesen sind. Mit „Ethik der Wertschätzung. Tugenden einer ungewissen Welt“ liegt nun erstmals eines ihrer Bücher auch in deutscher Übersetzung vor – und landete sogleich auf der monatlichen Sachbuchbestenliste von DIE ZEIT, ZDF und Deutschlandfunk Kultur.

Wir leben laut Pelluchon in einem Zeitalter, in dem „die Gewalt gegen das Lebendige keine Hemmung mehr kennt, weil die Alterität, die Verwundbarkeit, die Unvorhersehbarkeit und mit der Sterblichkeit alles Lebendigen unsere eigene Sterblichkeit selbst Gegenstand unserer Furcht, ja unseres Hasses ist“ (S. 25). Und in der gleichzeitig die Besorgnis um das Lebendige immer stärker formuliert wird, eine Besorgnis, die in einem Augenblick entsteht, „da die Umweltkrise, die Gewalt an ganzen Gruppen von Menschen und die schrecklichen Lebens- und Sterbebedingungen, die den Tieren aufgezwungen werden, niemanden mehr entgehen können. Sie entsteht zeitgleich mit der Tatsache, dass in einem Klima allgemeiner Gewalttätigkeit mehr und mehr Individuen der Meinung sind, dass die Anerkennung der Heterogenität der Lebens- und Kulturformen der Schlüssel für ein besseres, ja für eine gutes Leben ist“ (ebd.).

Für ein Überwinden der desaströsen Gewaltstrukturen, mit denen Tier, Mensch und Umwelt konfrontiert sind, bedarf es der Adaption neuer Seinsweisen. Genau diese versucht das Buch zu bestimmen, Seinsweisen, „die gefördert werden müssen, wenn Individuen ein gutes Leben führen und die Achtung vor den anderen, Menschen und Nicht-Menschen, als Bestandteil der Achtung vor sich selbst empfinden sollen“ (S. 14).

Auf der Suche danach, um also ihre Ethik der Wertschätzung entstehen zu lassen, bedient sich die Autorin einer breiten Palette an philosophischen Strömungen und altbekannten Stimmen – unter anderem Platon, Aristoteles, Bernhard von Clairvaux, Arne Næss, Hannah Arendt, Emmanuel Levians – und strukturiert sie zu einem bunten, neuen, kunstfertigen Mosaik.

„Was das Subjekt der Wertschätzung leitet und was der Horizont aller seiner Handlungen ist, ist die gemeinsame Welt, die ihm vorangeht und von der es ein Teil ist, die es aber auch an künftige Generationen weiterzugeben und deren Zerstörung es zu verhindern gilt.“ (S. 283)

Pelluchon liefert ein anspruchsvolles Theoriewerk, das ob seiner Ausrichtung wohl gerade zum rechten Zeitpunkt erschienen ist und hoffentlich einigen als Denkanstoß dienen wird.