Michael Soder

Eine grüne Revolution

Ausgabe: 2025 | 3
Eine grüne Revolution

Mit dem Erstarken rechtspopulistischer Parteien und Rückziehern der Parteien der Mitte droht das Klimathema ins Abseits zu rutschen. Die Wahl Trumps zum US-Präsidenten hat einer ambitionierten, global koordinierten Klimapolitik ebenso einen Dämpfer versetzt wie die neuen Krisen, etwa die Verteuerung der Energie im Zuge des Krieges von Putin gegen die Ukraine sowie die darauf folgende Inflation. Überhaupt hat die Krisenstimmung zu einem Rollback im Bereich ökologischer Herausforderungen geführt – obwohl die Umweltschäden zuletzt dramatische Ausmaße angenommen haben.

Mit Ansätzen von „Just Transition“ wird versucht und darauf gedrängt, Klimapolitik mit Sozialpolitik, wenn man so will, mit Gerechtigkeitsfragen zu verknüpfen. Ein Vertreter dieses Konzeptes ist Michael Soder, Sozioökonom mit Schwerpunkt Wirtschaftspolitik und Mitglied einer von der österreichischen Klimaministerin Leonore Gewessler einberufenen Just Transition-Arbeitsgruppe. In seinem Buch „Eine grüne Revolution“ beschreibt Soder, wie eine „neue Wirtschaftspolitik in Zeiten der Klimakrise“ (Untertitel) aussehen müsste. Klimafragen seien zunächst naturwissenschaftliche Phänomene, die Antworten meist ausschließlich technischer Art: „Die Klimakrise muss aber auch als soziale und psychologische Herausforderung verstanden werden“ (S. 13). Nicht nur Ökosysteme seien komplex (Kipppunkte könnten dramatische Auswirkungen zeitigen), sondern auch gesellschaftliche Systeme einschließlich der Wirtschaft. Diese sei kein monolithischer Block, sondern „durch Vielfalt und unterschiedliche Konstellationen geprägt“ (S. 33). Die Verkürzung der klimapolitischen Debatten auf die Ebene des Individuums sei „gleich mehrfach falsch“ (S. 53): Sie überhöhe die Konsumentensouveränität, sie führe zu Entpolitisierung und „Scheinklima-schutz“ (S. 65) und werde der Komplexität der Klimakrise nicht gerecht.

Klimakrise strukturell angehen

Soder macht daher Vorschläge, wie Klimafragen strukturell angegangen werden müss(t)en. Dazu zählt er eine fairere Verteilung des Wirtschaftsprodukts ebenso wie Programme für benachteiligte Regionen und Branchen, Neuqualifizierungen von Belegschaften oder das Anstoßen von Innovationen durch einen aktiv(ierend)en Staat sowie kreative Unternehmen. Fachkräftestipendien, Qualifizierungsgelder oder Arbeitsstiftungen sollen helfen, die ökologische Transformation voranzubringen und sozial zu gestalten. Der europäische grüne Industrieplan sowie seine Umsetzung durch das „Netto-Null-Industrie-Gesetz“ (S. 145) seien Beispiele, wie Wirtschaftspolitik Veränderungen fördern könne. Soder verweist aber auch auf die Möglichkeiten der öffentlichen Beschaffungspolitik, Preissignale wie CO2-Steuern oder „Vorschriften für lokale Produktion“ (S. 145). Eine wichtige Rolle spielten dabei konsistente Zukunftsentwürfe, sogenannte „Missionen“ (ein Begriff, den Mariana Mazzucato geprägt hat), sowie ein konsequentes Dranbleiben: „Erfolgreich werden solche Strategien nur sein, wenn die Politiken sich ergänzen und klare Zielvorgaben und langfristige Glaubwürdigkeit bieten.“ (S. 145) Dies erfordere auch einen „lernenden Staat“ (S. 161), der sich auch anderen Herausforderungen wie der Digitalisierung oder dem demografischen Wandel stellen müsse.

Neue Wege brauche es auch in der Finanzierung der Transformation. Soder berichtet unterschiedliche Vorschläge von Expert:innen wie direkte Ankaufprogramme von Anleihen grüner Sektoren durch Zentralbanken, Aufschläge für grüne und Abschläge für fossile Sicherheiten oder die Umschichtung alter Anleihen auf „Umweltanleihen“ (S. 201). Eine stärkere Rolle sollten auch nationale Entwicklungsbanken spielen. Klimainvestitionen wären in jedem Fall Teil eines „Risikomanagements“, weil Umweltfolgekosten verhindert und die Abhängigkeiten von fossilen Energieimporten verringert würden. Nicht zuletzt geht Soder auf die breite Beteiligung der Betroffenen und unterschiedlichen Akteur:innen ein – auf nationaler wie kommunaler und betrieblicher Ebene, denn Veränderungen könnten nur miteinander erreicht werden. Transformationsagenturen könnten Innovationen anstoßen und gemeinsame Entwicklungsprozesse moderieren. „Klimawandelanpassungsregionen“ (KLAR!) sowie „Klima- und Energiemodellregionen“ (KEM) nennt Soder als Beispiele aus Österreich.

Vielzahl an Anregungen

Das Buch bietet eine Vielzahl an Anregungen von Expert:innen unterschiedlicher Bereiche, aber auch durch bereits praktizierte Ansätze. „Die große Herausforderung, vor der wir stehen, ist, einen fundamentalen Wandel hin zu einem nachhaltigen Umgang mit der Natur, unseren Mitlebewesen und uns selbst zu gestalten, und zwar geordnet und nicht chaotisch“ (S. 257). Das sei in einer komplexen Welt nicht einfach, aber machbar, vorausgesetzt wir werden zu „lernenden Gesellschaften“ (S. 258)