Wie kann öffentlicher Raum so gestaltet werden, wie es die Menschen, die in ihm leben, auch wollen? Dieser und weiteren Fragen geht der Politikwissenschaftler und Journalist Michael Jäger in seinem Buch „Ökonomische Proportionswahlen“ nach.
Dabei knüpft er an den auf Karl Marx zurückgehenden Ansatz an, dass die Akkumulation von Kapital mit dem Verbrauch von Ressourcen und der Zerstörung des ökologischen Systems einhergeht. Er unterscheidet – anders als Marx – zwischen Marktwirtschaft und Kapitalismus und begreift die Marktwirtschaft als Steuerungsinstrument für Wandel.
Diese Unterscheidung begründet Jäger in folgender Hypothese: Bedürfnis und Bedarf funktionieren „heute so, dass die Bedürfnisse in erheblichem Maß nicht befriedigt werden und die Menschen daher gezwungen sind, das Angebot an ‚Ersatzbefriedigungen‘ anzunehmen; dieses besteht im sich steigernden, ökologisch so schädlichen konsumistischen Bedarf“ (S. 60). Im Umkehrschluss bedeutet das: Sind die Grundbedürfnisse – die er in die Kategorien Aufgabe, Kommunikation und Sicherheit unterteilt – gedeckt, benötigt der Mensch keine Flucht in den Konsumismus, eine Neugestaltung des politischen Systems ohne Ausbeutung ist möglich.
Als fiktives Beispiel für ökonomische Proportionswahlen dient die Wahl des Verhältnisses zwischen öffentlichem Nahverkehr und motorisiertem Individualverkehr. Diese Wahl hätte auch zur Folge, dass das Konsumverhalten sowie sämtliche beteiligte Wirtschaftszweige an die Ergebnisse der Wahl angepasst werden müssten.
Um diesen Ansatz zu realisieren, hat der Autor nichts weniger als eine Revolution im Sinn. Leider bleiben jedoch die konkreten Schritte hin zur propagierten Revolution meist vage und abstrakt, während die Folgen der ökonomischen Proportionswahl teils sehr detailreich und damit auch anregend ausgeführt werden.
Das Buch gibt spannende Denkanstöße, wenn es darum geht, die Güterverteilung innerhalb einer Gesellschaft neu zu denken und den utopischen Ausblick zu zeichnen, dass öffentliche Infrastruktur oder die Energieversorgung nicht vorrangig der Anhäufung von Kapital dienen, sondern den Menschen mehr als bislang zugutekommen: „In der neuen Gesellschaft wird statt des Angleichungsdiskurses der Antwortdiskurs dominant sein.“ (S. 177)