Fünf Bücher. Fünf Themen.

Ausgabe: 2023 | 1
Fünf Bücher. Fünf Themen.

Jeanne Diesteldorf: (K)eine Mutter

In „(K)eine Mutter“ geht es nicht um Einzelschicksale. Es geht auch nicht um Literatur. Es geht um das Erzählen als Form feministischen Widerstands. Als Widerstand gegen den deutschen Paragrafen 219a und die deutsche Gesellschaft, die sich nicht dagegen wehrt. Denn Abtreibung ist in Deutschland noch immer eine Straftat, die nicht geahndet, dafür verachtet wird. Jeanne Diesteldorfs „(K)eine Mutter“ ist eine Sammlung von Porträts, in der zwölf Frauen den Mut aufbringen, sich öffentlich zu zeigen und über ihre Abtreibungen zu sprechen: Ein schnörkelloses Buch, das nicht von grausamen Unterdrückungsgeschichten erzählt, sondern von alltäglichen Erfahrungen von Frauen, die einfach über den eigenen Körper bestimmen wollen. Gwendolin Lehnerer

Jeanne Diesteldorf: (K)eine Mutter. Abtreibung. Zwölf Frauen erzählen ihre Geschichte. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2022; 240 Seiten

 

Sascha Friesike, Johanna Sprondel: Träge Transformation

Noch ein Buch, das die vielfach schleppende Digitalisierung beklagt? Das wäre überflüssig. Das kleine Büchlein von Sascha Friesike und Johanna Sprondel aber leistet mehr. Es klärt, was unglücklicherweise häufig miteinander verwechselt werde, nämlich Digitalisierung und digitale Transformation. Digitalisierung ist eine Veränderung der Form, in der etwas dargereicht wird, erklären die Autor:innen. Woran es hapere, das sei digitale Transformation. Die aber sei kein rein technischer Prozess, sondern einer, in dem „der Gegenstand selbst verändert wird“ - und das Ergebnis mithin offen ist: als Ergebnis eines Aushandlungsprozesses unter den beteiligten Akteur:innen. Fazit: Der Band liefert wichtige Impulse für eine kritische Auseinandersetzung mit digitalen Glaubenssätzen. Winfried Kretschmer

Sascha Friesike, Johanna Sprondel: Träge Transformation. Welche Denkfehler den digitalen Wandel blockieren. Reclam Verlag, Stuttgart 2022; 92 Seiten

 

Ursula Spannberger: Raum wirkt

Das Buch „Raum wirkt“ der Architektin und Mediatorin Ursula Spannberger versteht sich als ein Praxishandbuch für all jene, die wissen wollen, wie am Menschen orientierte Raumplanung funktionieren kann. Hierfür entwickelte die Autorin die „Raum.Wert.Methode“, deren Herzstück die Partizipation künftiger Bewohner:innen der zu gestaltenden Bereiche ist. Entlang der Darstellung von neun Raumwerten – etwa nachvollziehbare Funktionszusammenhänge, Wegführung sowie Nähe und Distanz – erhalten Leser:innen ganz nebenbei spannende Einblicke in theoretische Grundlagen sowie persönliche Erkenntnisse der Autorin. Carmen Bayer

Ursula Spannberger. Raum wirkt.Verlag Ludwig, Zürich 2021;160 Seiten

 

Matthias Schmelzer; Aaron Vansintjan; Andrea Vetter: The Future is Degrowth

Stetiges Wirtschaftswachstum ist nicht nur mit ökologischer Nachhaltigkeit unvereinbar, wie immer mehr Studien zeigen, sondern führt auch zur Fortschreibung globaler Ungleichheit und Klimaungerechtigkeit. Dennoch hält sich die Ideologie des Wachstums hartnäckig in der Gesellschaft. Indem dieses Buch einen explizit kapitalismuskritischen Kurs verfolgt, sprechen die Autor:innen vor allem Teile der Linken an, die bisher skeptisch gegenüber Degrowth oder Postwachstum waren. Ziel dieses Buches ist es, Allianzen zu schmieden um den demokratischen Wandel hin zu globaler Gerechtigkeit und einem guten Leben für alle innerhalb ökologischer Grenzen einzuleiten. Stefanie Gerold

Matthias Schmelzer, Aaron Vansintjan, Andrea Vetter: The Future is Degrowth. A Guide to a World beyond Capitalism. Verso Books, London 2022; 320 Seiten

 

Jonathan Strahan (Hg.): Tomorrow’s Parties

Twelve Tomorrows ist eine Publikationsreihe, die gemeinsam von MIT Press und MIT Technology Reviewveröffentlicht wird. Zu diversen Themen und von abwechselnden Herausgeber:innen werden in diesem Format neue Science-Fiction-Kurzgeschichten arrangiert, die beeindruckend zeigen, wie Zukunftsnarrative aussehen können und vor allem, im Umkehrschluss, was diese fiktiven Szenarien gegenwärtig über uns als Gesellschaft, über unsere Wünsche und Ängste aussagen. Der neueste Zugang in dieser Reihe trägt den Titel „Tomorrow’s Parties. Life in the Anthropocene“ und wurde von Jonathan Strahan, einem renommierten und preisgekrönten Sci-Fi-Publizisten, herausgegeben, der da schreibt: „It can be pretty hard to feel good, to see a way forward, when you feel that the world as you know it is actually dying around you.“(S. viii) – um im nächsten Satz die Notwendigkeit, ja den moralischen Imperativ des Optimismus und des Handelns zu betonen, den er auch als Basis für diese Anthologie sieht: „I wanted to give you a glimpse of what life might be like, however improbable, however bleak, as we live with climate change in the future. What, I asked, would education, raising a family, builduing a home, doing any of the small day-to-day parts of life look like? And I got some incredible responses.“ (ebd.)

Zehn Kurzgeschichten versammelt Strahan auf gut 200 Seiten, arrangiert Beiträge von Autor:innen wie Chen Qiufan, James Bradley, Justina Robson oder Meg Ellison, stellt Zeichnungen von Sean Bodley vor jedes Kapitel, präsentiert ein Interview mit Kim Stanley Robinson und verflicht damit verschiedene Arten der Auseinandersetzung mit Zukünften, die einzeln wie kombiniert eine lohnende Lektüre ergeben, die verschiedene Wege eines Weiters zeigen. Katharina Kiening

Jonathan Strahan (Hg): Tomorrow’s Parties. Life in the Anthropocene. MIT Press, Cambridge 2022; 232 Seiten