Ulrich Grober

Die Sprache der Zuversicht.

Ausgabe: 2023 | 2
Die Sprache der Zuversicht.

Bücher über Nachhaltigkeit, Klimakrise oder Artensterben sind meist gespickt mit alarmierenden Befunden. Ulrich Grober ignoriert diese nicht, wählt aber einen anderen Zugang. Wie schon in seinen Büchern „Entdeckung der Nachhaltigkeit“ und „Der leise Atem der Zukunft“ interessieren ihn in seinem neuen Buch „Die Sprache der Zuversicht“ insbesondere die kulturellen Aspekte des Nachhaltigkeitsdiskurses. Grober geht es um Erzählungen, Bilder, Symbole und insbesondere um Begriffe und deren Geschichte. „Die Sphäre der zwischenmenschlichen Beziehungen lebt von der Sprache und vom Erzählen, von unseren Narrativen, unserem Storytelling“, meint der Autor (S. 11). So ist der Buchtitel  in doppelter Weise zu verstehen: als Modus des Sprechens über Natur und Ökologie sowie als Aufforderung, trotz – oder besser – angesichts der Krisen den Blick auf das Schöne und Hoffnungsvolle im Leben nicht zu verlieren.

Zur „Wiederverzauberung“ der Welt

Grober beginnt fast wie in einem Tagebucheintrag mit der Schilderung der Erlebnisse mit seiner kleinen Enkelin – „Millas‚da‘“ zeigt die Entdeckerfreudigkeit jedes Kindes und erinnert an die Zukunftsverantwortung, die wir Erwachsene haben: „Für einen wie mich, zur Welt gekommen fast auf den Tag genau in der Mitte des 20. Jahrhunderts, kommt das Ende in Sicht. Du bist meine einzige leibhafte Verbindung zum 22. Jahrhundert. Nach mir die Zukunft – deine Gegenwart“, so Grober in Bezug auf seine Enkelin (S. 25). Das zweite Kapitel widmet der Autor dem Ausruf „Wow“, den er den Werbestrateg:innen entzieht und für sich als Ausdruck des Staunen-Könnens beansprucht. Es gehe um die „Wiederverzauberung“ der Welt (S. 33), um das Sich-Wehren gegen die totale Ökonomisierung, aber auch um politische Überraschungsmomente wie das Entstehen der jungen Klimabewegung. Weitere Abschnitte widmen sich der Gaia-Perspektive bzw. der „Ikone Erde“ (S. 49ff.) oder dem mittlerweile vielfach missbrauchten Begriff der Nachhaltigkeit, den Grober „authentisch aufladen“ und nicht dem Greenwasher:innen überlassen möchte. Der Autor spürt Begriffen und Redewendungen nach – wie etwa „Wir haben die Erde von unseren Kindern nur geborgt“, was auf eine moderne „Treuhänderschaft“ (S. 89) verweise.

Im Abschnitt über die „Anatomie der Furchtlosigkeit“ bezieht sich Grober auf die atomare Bedrohung und ihre Wiederkehr in der sogenannten „Zeitenwende“ durch Putins Krieg gegen die Ukraine, er verweist dabei auf die Erinnerung an das „Nie wieder“ sowie die Unterscheidung der Furcht vor konkreten Gefahren von einer diffusen, lähmenden Angst. Mit dem Psychotherapeuten Kurt Goldstein plädiert Grober für das Vertrauen in die eigene Selbstwirksamkeit, für „Selbstsorge, Fürsorge und Vorsorge“ (S. 127). In weiteren Kapiteln geht es um den „Einspruch gegen die Alternativlosigkeit“ (129 ff.) oder um das „Lob des Minimalismus“ (177ff.). Die Erinnerung an „Monte Verita“, eine alternative Siedlungsgemeinschaft im schweizerischen Tessin um 1900, in der Hermann Hesse eine Zeit lang gelebt hat, zeigt dabei ebenso die Kraft des „Weniger“ auf wie der von Grober zitierte Pop-Song „Mit leichtem Gepäck“ der Gruppe Silbermond oder der Verweis auf die Postwachstumsperspektive des Ökonomen Niko Paech. Angesichts der planetaren Bedrohung machen „kleine Trippelschritte“ (S. 156) keinen Sinn, ist Grober überzeugt. Die Parole von der anderen Welt bedeute nicht, dass diese mit Sicherheit kommen werde, doch sie sei „ein gravierender Einspruch gegen die grassierende Endzeitstimmung“ (ebd.).

Das leichte Gepäck passt gut zu den zahlreichen Assoziationen des Autors an die Bewegung im Freien (es gibt übrigens ein schönes Buch „Die Kunst des Wanderns“ von Grober). Es erinnert an die Kraft des Seins in der Natur – vorgestellt wird u. a. die skandinavische Bewegung des „friluftsliv“ –, und es fordert eine „kreative Selbstbeschränkung“ (S. 202). „Wenn du merkst, dass du die Orientierung verloren hast, dich verirrt hast, ist der erste Impuls, einfach weiterzugehen“, schreibt Grober in der Einleitung in Bezug auf das Wandern. Du könntest in Panik verfallen, hoffst auf kommende vertraute Landmarken. Aber im einfach Weitergehen liege der entscheidende Fehler: „Das Klügste, was du jetzt tun kannst, ist die Umkehr. Du musst zurückgehen bis zu dem manchmal weit zurückliegenden Punkt, zu der Weggabelung, wo du wieder auf sicherem Gelände bist.“ (S. 8).

Ein faszinierendes Mosaik

Dazu lädt uns der Autor ein. Sein Buch ist keine stringente wissenschaftliche Abhandlung, sondern ein faszinierendes Mosaik mit vielfältigen literarischen, historischen, alltagsweltlichen und politischen Bezügen. Auch das brauchen wir neben all den wissenschaftlichen Fakten, um zu erkennen, dass es so nicht weitergehen kann.