Die Pflicht zur Faulheit

Ausgabe: 1991 | 2

In der Arbeit meist gestresst, kommen die Menschen auch in ihrer Freizeit nicht zur Ruhe. "Unsere Fähigkeit, Freizeit zu genießen und für uns selbst zu nutzen, ist vielfach verkümmert." Deshalb erinnert uns der Autor an die" Pflicht zur Faulheit" angesichts der immer bedrohlicheren Folgen der Arbeit. Für ihn ist die Reduktion der Arbeitszeit eine Voraussetzung zur Entfaltung der Individualität. Gleichzeitig offenbart sich ein Widerspruch: Freizeit schafft Arbeit - etwa 4 Mio. Menschen sind im Freizeitgewerbe beschäftigt. Um über Freizeit sinnvoll reden zu können, unterscheidet Klopfleisch zwischen arbeitsfreier und frei verfügbarer Zeit. Gerade letztere hat jedoch kaum Chancen gegen den Produktivitätsanstieg der Freizeitindustrie. Die fatalen Folgen dieser Entwicklung sind längst sichtbar. Dies ändert jedoch nichts an dem Trend, dass uns in der Freizeit kein Weg zu weit ist. Im sogenannten " Hopping" mit ausgeklügelter Zeiteinteilung wird ein Maximum an Terminen wahrgenommen. Es fehlt den meisten die Muße, Freizeit jenseits der Konsumzeit für sich zu entdecken. In dieser Situation fordert der Autor eine Gesellschaft, in der Arbeits- und Mußezeit harmonisch aufeinander bezogen sind. Die calvinistische Arbeitsethik ist durch eine Ethik der Faulheit abzulösen, denn wer genießen will, muss Zeit "verschwenden". Erst dann wird Freizeit "zunehmend als Emanzipations- und Orientierungszeit" erfahrbar und als Mußezeit erlebt. Die Demokratisierung der Faulheit entreißt sie dem Privileg der Herrschenden. Gleichzeitig zeigen sich die Grenzen des Begriffs Faulheit bei der Bestimmung einer Freizeitkultur "von unten". Klopfleisch erhebt den Zeitwohlstand zum Maß für den Lebensstandard. Für die Mußegesellschaft der Zukunft werden Selbstbestimmung und ausgeglichener Lebensgenuss als Ziele angestrebt. Arbeit Freizeit

Klopfleisch, Reinhard: Die Pflicht zur Faulheit. Freizeit zwischen Stress und Muße. Düsseldorf (u.a.): Econ-Verl., 1991. 2695., DM 36,- / sFr 30,50 / öS 280,80