Jens Bisky

Die Entscheidung

Ausgabe: 2025 | 4
Die Entscheidung

Mit „Die Entscheidung“ legt der Historiker und Journalist Jens Bisky eine eindrucksvolle Analyse jener Jahre vor, in denen die deutsche Demokratie unterging. Der Zeitraum von 1929 bis 1934 – vom Tod Gustav Stresemanns über die Weltwirtschaftskrise, politische Radikalisierung, Notverordnungen und Straßenkämpfe bis zur Machtübertragung an Adolf Hitler – wird nicht als bloßer Ablauf historischer Fakten erzählt, sondern als eine Kette konkreter Entscheidungen, Irrtümer und Unterlassungen. Wie konnte es so weit kommen? Diese Frage steht im Zentrum von Biskys Untersuchung.

Biskys Darstellung unterscheidet sich von klassischen Überblickswerken, die den Aufstieg der NSDAP oft als unausweichlich darstellen. Stattdessen zeigt er, wie vielfältig die Möglichkeiten der damaligen Akteur:innen waren – und wie oft sie sich anders hätten entscheiden können. Seine zentrale These lautet: Der Weg in die Diktatur war nicht vorgezeichnet, sondern wurde aktiv beschritten – aus Angst, Opportunismus oder Machtgier.

Er arbeitet zentrale Weichenstellungen heraus, etwa Brünings deflationäre Wirtschaftspolitik, die trotz Millionen Arbeitsloser fortgeführt wurde. Oder Hindenburgs Entscheidung, mithilfe von Notverordnungen das Parlament zu umgehen. Besonders folgenreich war die Illusion konservativer Eliten um Papen, man könne Hitler „einrahmen“. Diese Selbsttäuschung führte am 30. Januar 1933 zur Ernennung Hitlers zum Reichskanzler.

Umfassende Schilderung der Ereignisse

Bisky schildert die Ereignisse nicht allein aus der Vogelperspektive; durch Tagebücher, Briefe und Zeitungsartikel macht er auch die Wahrnehmungen der Zeitgenossen lebendig. Thomas Mann appellierte 1933 in einer Rede im Berliner Beethoven-Saal an die Vernunft: „Der Name voll Sorge und Liebe, der uns bindet [...] ist für uns alle nur einer: Deutschland“ (S. 243). Neben den Manns kommen auch andere bekannte Stimmen zu Wort: Carl von Ossietzky, Victor Klemperer und Kurt von Schleicher. Otto Braun, der preußische Ministerpräsident, wird als standhafter Demokrat gewürdigt. Walter Dirks, katholischer Publizist, warnt früh vor dem Nationalsozialismus. Und Kurt Schumacher, später SPD-Oppositionsführer, erscheint als konsequenter Gegner Hitlers – mit klaren Analysen und fester Überzeugung.

Eine große erzählerische Kraft

Sprachlich präzise und strukturell durchdacht, entfaltet das Buch eine große erzählerische Kraft. Bisky gelingt es, komplexe Zusammenhänge verständlich darzustellen, ohne zu vereinfachen. Der Ton bleibt analytisch, nicht moralisierend.

Am Ende steht ein klares Fazit: Demokratie scheitert nicht an einem Tag – sie erodiert, wenn ihre Verteidiger:innen schweigen oder sich abwenden. „Die Entscheidung“ ist nicht nur ein wichtiges Geschichtsbuch, sondern ein eindringlicher Appell an unsere Gegenwart.