Lukas Sparenborg, Darrel Moellendorf (Hg.)

Klimaethik

Ausgabe: 2025 | 4
Klimaethik

Wie lässt sich über den Klimawandel jenseits von Naturwissenschaft und Technik nachdenken? Welche normativen „Argumente, Theorien und Schlussfolgerungen“ (S. 8) lassen sich aus moralphilosophischer und politikwissenschaftlicher Perspektive zur Verbesserung der Lage formulieren? Für diese ebenso drängenden wie komplexen Fragestellungen legen die Frankfurter Politikwissenschaftler Lukas Sparenborg und Darrel Moellendorf mit ihrer Anthologie ein solides Fundament. Der Band versammelt siebzehn zentrale Texte – viele davon erstmals auf Deutsch – und bringt neben bekannten Diskursklassikern auch bislang weniger beachtete Beiträge ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Der in gewohnt hoher Suhrkamp-Qualität produzierte Sammelband gliedert sich in vier thematische Teile: Gerechtigkeit, Generationenverantwortung, individuelle und kollektive Verantwortung sowie Globalisierung.

Dem ersten Kapitel zur Gerechtigkeitskrise liegt die Prämisse zugrunde, dass der Globale Norden durch seinen historisch exzessiven Ausstoß von Treibhausgasen maßgeblich jene Probleme verursacht hat, unter denen der Globale Süden heute und in Zukunft besonders leidet. Die fünf Beiträge dieses Abschnitts variieren diese Ausgangsthese und setzen unterschiedliche Schwerpunkte. So beschreibt etwa Stephen M. Gardiner die Klimakrise als einen „perfekten Sturm“ – eine Herausforderung, die durch ihre räumlich und zeitlich versetzte Ursache-Wirkung-Dynamik die bestehenden institutionellen Rahmenbedingungen überfordert und adäquates Handeln erschwert. Weitere Beiträge greifen koloniale (Agarwal/Narain), feministische (Gaard/Gruen) und rassismuskritische (Tuana) Perspektiven auf und konkretisieren die strukturellen Dimensionen globaler Klimagerechtigkeit.

Der zweite Teil widmet sich der Frage, was wir künftigen Generationen schulden – eine Debatte, die sich aus der Langzeitwirkung von CO2-Emissionen ergibt. Hans Jonas’ Klassiker „Das Prinzip Verantwortung“ markiert mit den Begriffen „Fernwirkung“ und „Unumkehrbarkeit“ (S. 127) programmatisch das Spannungsfeld, das die folgenden Texte weiter ausloten. Derek Parfit diskutiert die moralische Relevanz der Frage, ob Menschen, die noch nicht existieren, durch unsere heutigen Entscheidungen geschädigt werden können. Lukas H. Meyer betont, dass der globale Norden als Nutznießer historischer Emissionen auch für deren Folgen verantwortlich sei – und daraus entstehe die Pflicht, für die Schäden im Süden aufzukommen. Catriona McKinnon schließlich fordert unter dem Stichwort des „Vorsorgeprinzips“, künftiges Handeln angesichts von Unsicherheit systematisch auf präventive Wirkung hin auszurichten.

Im dritten Abschnitt verschiebt sich die Perspektive auf Fragen der Verantwortung: Wenn unser Handeln künftige Generationen betrifft – wie ist diese Verantwortung zu verteilen? Walter Sinnott-Armstrong stellt dabei provokant die Frage nach der moralischen Verwerflichkeit, etwa ein spritfressendes Auto zu fahren. Elizabeth Cripps argumentiert, dass individuelle Verantwortung weniger in emissionsarmem Verhalten als vielmehr im Einsatz für kollektive Lösungen liege. Dale Jamieson bringt kontraktualistische, kantianische und utilitaristische Ansätze in die Diskussion ein. Stärker kollektiv orientiert argumentieren Kyle Powys Whyte, der die besondere Betroffenheit indigener Bevölkerungsgruppen thematisiert, und Simon Caney, der die Verantwortung von Staaten unter dem Verursacherprinzip und Prinzip der fairen Lastenverteilung beleuchtet.

Der vierte Teil schließt mit konkreten politischen Fragen: Wie reagieren wir auf die unzureichende Wirkung bestehender Maßnahmen? Welche Rolle spielen Entschädigungen? Daniel Edward Callies und Darrel Moellendorf diskutieren Potenziale und Risiken des Geoengineerings. Holly Jean Buck, Andrea R. Gammon und Christopher J. Preston nehmen genderspezifische Aspekte des Diskurses in den Blick. Matthew Lister fordert eine Erweiterung der Flüchtlingskonventionen auf Menschen, die aufgrund des Klimawandels ihre Heimat verlassen mussten.

Ein wichtiger Band zur Auseinandersetzung mit der Klimakrise

Dieser Band bietet durch seine thematische Breite und argumentative Tiefe einen wichtigen Ausgangspunkt für die normative Auseinandersetzung mit der Klimakrise. Er richtet sich nicht nur an die akademische Welt, sondern verdient auch darüber hinaus breite Rezeption – in der Zivilgesellschaft, in politischen Debatten, in Bildungseinrichtungen. Ein ebenso engagierter wie relevanter Beitrag zu einem drängenden Zukunftsthema.