Blut. Stoff für Leben und Kommerzialisierung

Ausgabe: 1999 | 4

Trotz des breitangelegten historischen Bezugs - 3/4 des Titels nimmt den Zeitraum bis zum Vorabend der Aids-Epidemie ein - sind Analysen, Zitate, Beschreibungen verhängnisvoller Fehler und eingetretener Mißstände doch vor dem Hintergrund zukünftiger Entwicklungen zu sehen. Der Autor bekennt sich eindeutig zu den Segnungen der Blutmedizin, rückt jedoch die heikle Frage nach der Kommerzialisierung kontinuierlich ins Zentrum. Spendeprämien mobilisieren gerade Risikogruppen, deren Vertreter

1. auf das gespendete Blut am wenigsten verzichten können und

2. potentielle Überträger von Infektionskrankheiten sind.

Das Dilemma spiegelt sich in folgender Antwort des Blutbankers Mainwaring auf die Frage, ob er am Geschäft mit Blut beteiligt wäre, wenn er es für unmoralisch hielte: “Ich halte es für unmoralisch [...] Aber ich halte es auch für unmoralisch, Patienten sterben zu lassen, nur weil sie kein Blut bekommen.” (S. 251) Angesichts des oft durch Feigheit, Trägheit, Gewinndenken verursachten Dramas globalen Ausmaßes, das in den 80er und 90er Jahren zahlreiche Blutspendenempfänger mit Aids infizierte, gelangt der Autor allerdings zu der Erkenntnis, daß zumindest in diesem Fall der Kapitalismus versagt hat (S. 281).

Zwar “stehen die Chancen nicht schlecht, innerhalb der nächsten paar Jahre einen Ersatz für Hämoglobin zu bekommen” (S. 424), vor allzu großem Optimismus sei dennoch gewarnt, da diese Präparate vorerst nur als kurzfristiger Ersatz in Frage kommen und ihre Produktion außerdem “für den größten Teil der Welt zu teuer werden” dürfte (S. 427). Und obwohl nach Katastrophe/Masseninfektion gilt: “Blut ist jetzt sicherer als es je zuvor gewesen ist.” (S. 415), ist es aufgrund neuer Bedrohungen (Reisefreiheit, “ökologische Störfälle des globalen Flugverkehrs” und damit verbundene “exotische Krankheiten” u. a. m. “zunehmend wichtig, rechtzeitig auf mögliche Gefahren zu reagieren” (S. 428).


K. M. 

Starr, Douglas: Blut. Stoff für Leben und Kommerz. München: Gerling Akademie Verl., 1999. 512 S., DM 64,- / sFr. 58,- / öS 467,-