Arbeit, Zeit und die Entdeckung kreativer Langsamkeit

Ausgabe: 1999 | 2

„Schneller ist besser“ lautet das Motto unserer Zeit, und wer nicht in Eile ist, wird eher mit Mißtrauen als mit Neid betrachtet. Die für die moderne Gesellschaft symptomatische Grundhaltung hat zur Folge, daß immer mehr in immer höherem Tempo erledigt werden soll. Diese Einstellung findet sich nicht nur, aber besonders in der Arbeitswelt, wo die permanent steigende Informationsflut rasche Entscheidungen verlangt, was schließlich in erhöhtem Leistungsdruck und Dauerstreß mündet. Im ersten Teil seines Buches erläutert Martin Massow, daß diese „Zeit ist Geld“-Mentalität zahlreiche negative Auswirkungen hat: Workaholics und „Tempoholics“ sind Suchtphänomene der Gegenwart, und das Burn-out-Syndrom ist nur ein Beispiel für diverse körperliche und psychische Symptome, die immer häufiger werden und somit Leistung und Erfolg der Betroffenen sowie letztendlich der gesamten Wirtschaft beeinträchtigen.

Um dieser „Beschleunigungsfalle“ zu entkommen, ruft der Autor zur „aktiven Langsamkeit“ auf. Eine entsprechende neue Lebensweise soll der erwiesenen Tatsache Rechnung tragen, daß Leistung nicht zwangsläufig von einem hohen Arbeitstempo abhängt und daß ein entspannter und ausgeruhter Mensch ungleich mehr leistet als jemand, der unter Dauerstreß steht. Eine „zielgerichtete Entschleunigung“ soll nicht nur die Lebensqualität steigern, sondern auch zu mehr Erfolg im Beruf führen. Um diese zu erreichen, bietet das Buch zahlreiche neue Verhaltensweisen, stellt erhellende Fragen in Richtung Selbsterkenntnis beschreibt vielfach erprobte Entspannungsübungen. So ist die Entdeckung des individuellen Zeitrhythmus ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, und zwanghafter Aktionismus sollte durch die (Wieder-)Entdeckung der Zeitqualität ersetzt werden. „Entschleunigungsreformen“ im großen Stil werden ebenso thematisiert wie Modelle, die zeigen, wie zukunftsorientierte Arbeitgeber die Mitarbeiter durch weniger Druck zu mehr Leistungen anspornen kann: So erhöhen Pausen je nach Bedarf, Mittagsschlaf und entspannende Massagen erwiesenermaßen die Einsatzfreudigkeit des Teams erhöhen und führen zu effektiverem Arbeiten.

Der Autor unterstreicht sein Plädoyer für die Langsamkeit, das so gar nicht in unsere schnellebige Gesellschaft zu passen scheint, mit vielen Listen, Tabellen und Tips, die bei der praktischen Umsetzung seiner Ideen helfen sollen. Es besteht allerdings die Gefahr, daß sich der Leser von der Fülle der Aufgaben abschrecken läßt, die nur mit viel Ausdauer (und Mut zur Langsamkeit) zu bewältigen sind. C. H.

Massow, Martin. Gute Arbeit braucht ihre Zeit. Die Entdeckung der kreativen Langsamkeit. München: Heyne 1998. 270 S.  (Heyne Business 22/1054) DM 16.90 / sFr / öS