Acht Bücher. Acht Themen

Ausgabe: 2022 | 3
Acht Bücher. Acht Themen

Lea Loos: Widerstand ist zwecklos – Nein!
Lea Loos liefert mit Widerstand ist zwecklos – Nein! einen kurzweiligen Comicband, der eine wichtige Frage herausarbeitet: Welche Form von Widerstand ist am effizientesten, wenn damit Veränderungen provoziert werden sollen, deren Umsetzung lange dauert? Die Politikwissenschaftler:innen Erica Chenoweth und Gene Sharp werden unter anderem ins gezeichnete Wohnzimmer eingeladen, um herauszuarbeiten, wie politische Macht funktioniert, warum gewaltloser Widerstand erfolgreicher ist, welche Organisationsformen und Methoden es gibt, wo Fehler und Gefahren lauern. Ein schnell gelesener Band, ein schöner Einstieg in die Thematik. Katharina Kiening

Lea Loos: Widerstand ist zwecklos – Nein! Ein Comic über gewaltlosen Widerstand
Avant Verlag, Berlin 2021 · 154 Seiten


Margret Rasfeld: FREI DAY    
Die Welt verändern lernen! Für eine Schule im Aufbruch
Freie Zeit für ein freies, selbstbestimmtes und selbstorganisiertes Lernen. Das ist die Idee des Frei Day. Demnach sollen Schulen vier Stunden pro Woche für ein Lernen in frei gewählten Zukunftsprojekten bereitstellen – jahrgangsübergreifend, in Lernteams und mit Reflexionsgesprächen statt Noten. Frei Day ist eine soziale Innovation, die eine Brücke zu einer weitgehenden Transformation des Bildungssystems eröffnen soll. Das Ziel: „Bis 2030 sollten alle Schulen in Deutschland einen Frei Day haben.“ Winfried Kretschmer

Margret Rasfeld: FREI DAY. oekom Verlag, München 2021 · 192 Seiten


Doris Kleilein, Friederike Meyer (Hg.): Die Stadt nach Corona
Eine Vielzahl an interessanten Zukunftshemen greift dieser Band auf. Die Pandemie ist dabei zwar im Fokus, die beschriebenen Veränderungen sind aber auch ohne diese von Relevanz. Etwa die Notwendigkeit von Degrowth, das erforderliche Reagieren der Städte auf den Onlinehandel, das Überdenken des Massentourismus, die Schaffung von Coworking Spaces und öffentlichen Räumen sowie andere Mobilitätslösungen und neue Wege der Lebensmittelversorgung der Stadt. Hans Holzinger

Doris Kleilein, Friederike Meyer (Hg.): Die Stadt nach Corona. Jovis Verlag, Berlin 2021 · 160 Seiten


Henning Mohr, Diana Modarressi-Tehrani (Hg.): Museen der Zukunft
Wie entwickelt sich eine Museumspraxis weiter, deren traditionelle Arbeitsweise durch gesellschaftlichen Wandel seit Jahren an ihre Grenzen stößt? Der Sammelband gibt einen Orientierungsrahmen für mögliche, gewünschte und notwendige Neuausrichtungen von Museen und diskutiert deren Transformationsfähigkeit. Die Autor:innen beleuchten Entwicklungen eines innovationsorientierten Kulturmanagements und präsentieren veränderte Museumsideale, Paradigmenwechsel sowie neue Praxisformen im Museumsbetrieb. Eine spannende Lektüre für alle, die im Kultur- und Museumsbetrieb tätig sind und die sich über die alltägliche Projektarbeit hinaus mit möglichen (Weiter-)Entwicklungen beschäftigen wollen. Matthias Koning

Henning Mohr, Diana Modarressi-Tehrani (Hg.): Museen der Zukunft. Trends und Herausforderungen eines innovationsorientierten Kulturmanagements. transcript Verlag, Bielefeld 2021; 462 Seiten


Ronen Steinke: Vor dem Gesetz sind nicht alle gleich
Vor dem Gesetz sind nicht alle gleich. Das macht der Jurist Ronen Steinke im gleichnamigen Buch anhand unzähliger Beispiele deutlich. Sei es die Haftstrafe für einen Mann, der versucht hatte, Eis zu stehlen oder der Drogenabhängige, der wegen Schwarzfahrens zu vier Monaten Freiheitsstrafe verurteilt wurde. „Je prekärer die Lebensumstände, desto strenger entscheiden Richter“ (S. 47) Ein wichtiges Buch, dass nicht nur die Probleme der systematischen Ungleichheit aufzeigt, sondern auch aktiv zu deren Lösung beitragen möchte. Luisa Wilczek

Ronen Steinke: Vor dem Gesetz sind nicht alle gleich. Die neue Klassenjustiz. Berlin Verlag, Berlin 2022; 272 Seiten


Olivia Laing: Everybody
Olivia Laings Everybody. A Book About Freedom ist ein Genregrenzen sprengendes, eindrucksvoll recherchiertes Meisterwerk. Die Theorien des sozialreformistischen Freud-Schülers Wilhelm Reich bilden den roten Faden, der Menschen wie Susan Sontag, Andrea Dworkin, Agnes Martin und Nina Simone verbindet. Kunstvoll verwebt Laing Kontext zu Sex im Weimarer Berlin, Gefängnissen und der Civil Rights Movement mit ihrer eigenen aktivistischen, queeren Biografie. Freiheit ist eine „gemeinschaftliche Anstrengung“, unsere Welt eine revolutionär andere, könnten wir ohne Angst in unseren Körpern leben. Elisabeth Lechner

Olivia Laing. Everybody. A Book About Freedom. Picador Books, London 2021; 368 Seiten


Aleida Assmann, Andreas Dörpinghaus (Hg.): Ausgesetzte Zeiten
Was passiert, wenn der chronologische Fluss der Zeit durch Außerordentliches unterbrochen wird? Aleida Assmann und Andreas Dörpinghaus definieren „Ausgesetzte Zeiten“ als „temporale Ausnahmezustände und Grenzgänge“ (S. 8). Im titelgebenden Sammelband führen sie unterschiedliche Perspektiven zusammen: von individuellem Zeitempfinden über unzeitgemäße Figuren und Motive bis zur Muße. Der Sammelband stellt aktuelle Bezüge zur Pandemie her, ist besonders durch seine Verbindungen zu kulturhistorischen Phänomenen absolut lesenswert! Magdalena Mühlböck

Aleida Assmann · Andreas Dörpinghaus (Hg.): Ausgesetzte Zeiten. Nachdenken über den Lauf der Dinge. WBG Theiss, Darmstadt 2022; 192 Seiten


Sascha Mamczak: Science-Fiction. Die Geschichte der Zukunft
Wie definiert man ein Genre, das sich ständig neu erfindet? Sascha Mamczak nimmt sich dieser Frage auf 100 Seiten an und liefert eine knappe aber übersichtliche Einführung. Dafür widmet er die eine Hälfte kanonisch dem historischen Blick auf das Genre. Erfrischend ist die andere Hälfte, in der Mamczak seinen eigenen Definitionsversuch anbietet. Seine Antwort auf die Genre-Frage: „Kunst braucht keine Etiketten!“ Als Verleger bei dem deutschen SF-Publikationshaus Heyne sind seine Einblicke in die Science-Fiction absolut lesenswert. Wenzel Mehnert

Sascha Mamczak: Science-Fiction. Die Geschichte der Zukunft. Reclam Verlag, Stuttgart 2021; 100 Seiten


Mark Bould: The Anthropocene Unconscious
Der Science-Fiction-Experte Mark Bould erkundet in diesem Buch die unbeachtete Präsenz des Klimawandels in der heutigen Kultur. Nur wenige Romane oder Filme handeln direkt von dieser Bedrohung. Dennoch würden die Probleme keineswegs ignoriert. Im Gegenteil sei die Unterhaltungskultur durchdrungen von den vielfältigen Destabilisierungen des Anthropozäns. Wertschätzend gegenüber menschlicher Fantasie und mit Blick auf eine Sensibilisierung für Ungleichheiten, führt Bould eine wegweisende Kulturkritik ein, die das unbewusste Anthropozän aufzeigt. Clara Buchhorn

Mark Bould: The Anthropocene Unconscious. Climate Catastrophe Culture. Verso Books, London 2021; 176 Seiten


Alberta Arthurs, Michael F. DiNiscia: Are the Arts Essential?
Sind Künste essenziell für uns und für die Gesellschaft in der wir leben? Are the Arts Essential? Diese Frage stellen Alberta Arthurs und Michael F. DiNiscia und machen damit einen spannenden Raum voller Antwortmöglichkeiten auf. Die Wissenschaftler:innen sind je an der New York University tätig und haben mit dieser Publikation einen facettenreichen Sammelband geschaffen, der, so offen wie Künste und Kunstformen nun einmal sind, verschiedensten Perspektiven auf diese einleitend gestellte Frage Platz gibt. 26 Beiträge sind zur strukturellen und inhaltlichen Orientierung in fünf Kapitel aufgeteilt: „Strengthening Society“, „Benefiting the Individual“, „Finding and Fostering Community“, „Engaging the Sciences“, „Recording and Sharing Our Histories“. Das Zusammenfügen der Texte im Allgemeinen wie auch innerhalb der Kapitel im Speziellen, ergibt ein Konglomerat an Sichtweisen, das erfreulicherweise durch die titelgebende Frage erfolgreich zusammengehalten wird. 
Womit befassen sich die einzelnen Artikel? Nun, beispielhaft: Alberta Arthurs stellt unter anderem fest, dass es eine Tendenz gibt, die Bedeutung von Künsten bei gesellschaftlichen Neuerfindungsprozessen zu unterschätzen. Karol Berger erkennt Möglichkeiten, Identitäten zu formen und unsere Zukunft zu erfinden. Und K. Anthony Appiah skizziert in Bezugnahme auf Marcel Duchamp etwa drei Punkte, um zu konkludieren: „My three sketches aim to remind us, first, that art enriches our options, in life in general; second, that it does so in politics in particular; and third, that it connects us powerfully to each other. It’s only because we can understand what it would be for the world to be different from the way it is that we can build models of the ideal. And in building such idealizations, art matters, because it allows us to grasp what isn’t, or isn’t yet, so.“ (S. 67) Katharina Kiening

Alberta Arthurs, Michael F. DiNiscia (Hg.): Are the Arts Essential? New York University Press, New York 2022; 344 Seiten