Zur Harmonie von Stadt und Verkehr

Ausgabe: 1993 | 4

Wir bewegen uns heute wieder auf vier" Beinen". Aus dieser Perspektive ist selbst die Steinzeit eine noch ferne Entwicklungsstufe der Menschheit. Derart sarkastisch bringt der prominente Verkehrsplaner Hermann Knoflacher seine Einschätzung der automobilen Gesellschaft auf den Punkt. Unbeeindruckt von den Tabus der „Autoverkehrsgesellschaft" skizziert er die Wechselwirkungen zwischen Städtebau und Verkehr. Zunächst erinnert er an die jahrtausendalte Zwangsmobilität seit der Vertreibung aus dem Paradies. Erst durch die Nutzung externer Energie gewann der Begriff eine positive Bedeutung. Das Auto ermöglichte es den Menschen, sich mit 600facher Körperkraft fortzubewegen und dabei den eigenen Energiebedarf um 40% zu reduzieren. Dies hatte bald zur Folge, daß die autogerechte Stadt geplant bzw. alte Städte zu Autolagerplätzen wurden. Der Weg aus der Gefangenschaft von Fahrmaschinen ist für Knoflacher nur im Umbau der Siedlungen zu suchen. Durch Sammelgaragen, die die autofreien Zonen umgeben, könnten rund 80% des heutigen Autoverkehrs auf kurzen Distanzen vermieden werden. Das Automobil wird nur mehr unter kontrollierten, geschwindigkeitsreduzierten Bedingungen eingesetzt, und eine begründete Vision für Fortgeschrittene: andere Formen der Fortbewegung (Gehen, Radfahren) geben Menschen und Städten angemessene Freiheit wieder. Gestützt auf Erhebungsdaten geht der Autor davon aus, daß eine gut funktionierende Stadt mit 10 bis 20 % Verkehrsaufkommen aus Autoverkehr störungsfrei betrieben und funktionsfähig erhalten werden kann. Er plädiert für die Wiedereinführung des aufrechten Ganges, indem Städte wieder zu Fußgängerzonen umfunktioniert werden. Entsprechende Vorschläge beziehen sich hier v.a. auf Fahrbahnverschmälerungen. Jedenfalls sollte, folgt man Knoflacher, der Mensch wieder als "Meßgerät für städtebauliche Qualität" angesehen werden. Interessant nicht nur wegen der Vielzahl der dargestellten Zusammenhänge und der interdisziplinären Betrachtungsweise des Autors, sondern auch wegen der Fülle an fundierten Vorschlägen für einen menschengerechten Städtebau. Die Bilder veranschaulichen die Diagnosen des Verkehrsplaner kontrastreich. A.A.

Knoflacher, Hermann: Zur Harmonie von Stadt und Verkehr. Freiheit vom Zwang zum Autofahren. Wien (u.a.): Böhlau, 1993. 216 S. (Kulturstudien: Sonderband; 16) DM 38,20 / sFr 32,40/ öS 298