Stoffstromsteuerung durch Produktregulierung

Ausgabe: 2001 | 2

Mehr und mehr gewinnen Umweltprobleme, die auf den Ge- und Verbrauch von Produkten zurückgehen, an Bedeutung, sei es, weil Produkte Schadstoffe freisetzen oder weil sie abfallseitig erheblich Probleme verursachen. Mit dem Orientierungswechsel von Einzelverursachern zur gesamten Produktionsweise rückt auch der freie Marktzugang ins Interesse des Umweltschutzes. Vor diesem konfliktreichen Hintergrund wird in der EU über eine Integrierte Produkt-Politik (IPP) diskutiert, die einen Paradigmenwechsel in der europäischen Umweltpolitik herbeiführen soll. Die Rahmenbedingungen sollten so verändert werden, dass sich die Produktentwicklung zunehmend an Umweltkriterien ausrichtet. Der vorliegende Sammelband knüpft an die Diskussion eines Workshops am Zentrum für interdisziplinäre Forschung der Universität Bielefeld (ZiF) zu diesem Thema an.

Ausgehend von der Einschätzung, dass eine umfassende Stoffstromregulierung eine Überforderung gesellschaftlicher Entscheidungsfindungsprozesse darstellt, konzentrieren sich die Autoren auf Möglichkeiten und Grenzen umweltorientierter Produktpolitik.

Mitarbeiter des Umweltbundesamts Berlin umreißen das Problem und zeichnen die Entwicklung des Stoffstromgedankens im bundesdeutschen Diskurs nach. Dazu stellen sie die hierzu bedeutenden Arbeiten der Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt“ des Deutschen Bundestages und des Umweltbundesamtes vor und verorten die IPP in einem Politikbereich, der einen ähnlichen Querschnittscharakter aufweist wie das Stoffstromkonzept. IPP erfordere nach den Vorstellungen der EU-Umweltminister einen breiten Ansatz, bestehend aus verbraucherbezogenen, freiwilligen, wirtschaftlichen und ordnungsrechtlichen Instrumenten. Eine IPP setze insbesondere auf die Initiierung und Beschleunigung umweltorientierter Innovationen.

Im zweiten Teil wird das Stoffstromrecht unter WTO-rechtlichen Rahmenbedingungen thematisiert und gezeigt, dass die Regelung der internationalen Stoffströme in einem kohärenten Stoffstromkonzept auf nationaler und europäischer Ebene auf WTO-Ebene an ihre Grenzen stößt. Die Spielregeln des WTO-Rechts – so ein wichtiger Befund    seien nicht für solche komplexen Regelungszusammenhänge ausgerichtet. Transnationale Stoffströme sollten daher möglichst in internationalen Konventionen geregelt werden. Der EG-rechtliche Rahmen der Stoffstromsteuerung durch Produktregulierung verdeutliche, dass die derzeit diskutierte IPP selbst im Ansatz noch nicht dem Konzept der Stoffstromregulierung entspricht. Trotz eines Spannungsverhältnisses zwischen dem Freihandelsgrundsatz und einer auf Stoffflussreduzierung abzielenden Stoffstrompolitik werde ein Stoffstromrecht auf EU-Ebene nicht verunmöglicht. Ein modernes Stoffstromrecht sollte komplexere Steuerungsmodelle integrieren, die aufgrund der Freiwilligkeit oder der vorausgesetzten Marktkonformität von vornherein mit den Grundfreiheiten nicht in Konflikt geraten. Möglichkeiten und Freiräume für experimentelle, mitgliedstaatliche Regelungen garantiere das Subsidiaritätsprinzip. Beiträge zur ökologischen Produktregulierung im deutschen Umweltrecht, insb. durch das Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, und zur Stoffstromregulierung in der Russischen Föderation runden diesen Teil ab.

Die Beiträge des dritten Teils setzen sich mit internationalen Produktnormen und den damit verbundenen Umweltinteressen auseinander. Der vierte Teil präsentiert die Reformansätze. Hier werden die Produktverantwortung bzw. der Stoffstromökonomie aus ökonomischer Sicht, das Chemikalienrecht als ‚Probebühne und Bestandteil’ einer Produktpolitik, Abgaben, Zertifikate und Umweltmanagement diskutiert und die Ergebnisse des informellen Treffens der EG-Umweltminister in Weimar vom deutschen Umweltministerium präsentiert. Der fünfte Teil stellt innovative Ansätze wie z.B. akteursbezogene Stoffstromanalysen vor.

Als Perspektive schlägt abschließend Führ die Verzahnung der klassischen Chemikalien- und Gefahrstoffpolitik mit der Abfallpolitik und der Produktregulierung vor. Dabei müssten v. a. bereits am Beginn der Produktgestaltung stoffliche Anforderungen stehen und problematische Verwertungsmethoden ausgeschlossen werden.

Das Buch gibt einen ausgezeichneten Überblick über den Stand, die Perspektive und die Problematik der für Nachhaltigkeit so wichtigen IPP. Darüber hinaus weisen die einzelnen Beiträge auf „Lesetipps“ und auf interessante Internet-Links hin. D. P.

Stoffstromsteuerung durch Produktregulierung. Rechtliche, ökonomische und politische Fragen. Hrsg. v. Martin Führ. Baden-Baden: Nomos, 2000. 422 S., DM 98,-/ SFr 89,- / öS 717,-