Das Globalisierungsparadox

Ausgabe: 2011 | 3

Einen sehr differenzierten Blick auf die Chancen sowie die Nachteile der derzeitigen ökonomischen Globalisierung für die Entwicklungsländer entfaltet der Havard-Ökonom Dani Rodrik in seinem Buch „Das Globalisierungsparadoxon“. Der Autor, der die historische Genese der Globalisierung in sehr anschaulichen Geschichten vermittelt, spricht von einem „politischen Trilemma“ (S. 20) der Weltwirtschaft, nämlich, dass die drei Dinge Demokratie, nationale Selbstbestimmung und wirtschaftliche Globalisierung nicht zugleich vorangetrieben werden könnten. Globale Märkte leiden, so der Autor, unter schwacher Beaufsichtigung und seien daher „anfällig für Instabilität, Ineffizienz und einen Mangel an demokratischer Legitimation“ (S. 17). Ernüchternd sei die Bilanz der „finanziellen Globalisierung“, die unter dem Strich „eher zu mehr Instabilität als zu mehr Investitionen und höherem Wachstum“ (S. 19) geführt hätte.

 

Rodrik gibt daher dem Nationalstaat und der Demokratie den Vorzug vor unregulierter Globalisierung. „Wer mehr und bessere Märkte will, muss mehr (und bessere) staatliche Kontrolle herbeiführen.“ Denn Märkte funktionierten am besten nicht dort, „wo sie es mit einem schwachen, sondern dort, wo sie es mit einem starken Staat zu tun haben“ (S. 19) Die große Vielfalt, die unsere heutige Welt auszeichne, „mache eine Hyperglobalisierung inkompatibel mit der Demokratie“ (S. 21). Demnach bräuchten wir eine „intelligente Globalisierung, keine maximale“ (ebd.).Rodrik zeigt an historischen wie aktuellen Beispielen, wie unregulierte, globalisierte Wirtschaft scheitert. Er skizziert die schrittweise Aufhebung des Bretton Woods-Regimes und die Durchsetzung eines unregulierten Freihandels, der insbesondere zur unkontrollierten Ausbreitung des Finanzsektors geführt habe: „Als die Öffnung der Finanzmärkte dann eine Enttäuschung nach der anderen produzierte, hätte das eigentlich niemanden überraschen dürfen. Tat es aber, so Rodrik lakonisch (S. 148). Heftig kritisiert der Autor auch das blinde Vertrauen in die Finanzmarktakteure, die „man vor ihren Batterien von Computerbildschirmen sitzen sieht und die mit einem Tastendruck Hunderte Millionen Dollar um die Erdkugel schicken und den Kurs und die Geschicke von Landeswährungen beeinflussen“ (S. 149). Insbesondere für Entwicklungsländer nachteilig wirkten sich nach dem Experten auch neue WTO-Regeln aus, etwa das Verbot von Exportsubventionen oder eines Mindestanteils an inländischen Grundstoffen bei der Erzeugung von Industrieprodukten, Vorteile, die China und andere südostasiatische Länder in ihrer Startphase noch genießen konnten. Fatal sei auch das Abkommen über geistiges Eigentum, was die Fähigkeit von Entwicklungsländern, fortschrittliche Technologien der reichen Länder zu kopieren, deutlich einenge (S. 259).

 

Rodrik plädiert sehr wohl für internationalen Handel, fordert jedoch nationale Spielräume – etwa für Gesundheits- und Sicherheitsbestimmungen, für Devisenkontrollen oder Finanzmarktstandards. Entwürfe für eine Globalregierung seien zwar faszinierend, aber unrealistisch. Die Tragfähigkeit funktionsfähiger globaler Regelwerke begrenze die Reichweite jeder sinnvollen und wünschbaren Globalisierung: „Eine Hyperglobalisierung liegt nicht im Bereich des Möglichen, und wir sollten nicht so tun, als täte sie das.“ (S. 298)

 

Der Autor beschließt seine an wirtschaftswissenschaftlichen Fakten reiche Abhandlung mit sieben Grundsätzen für eine realistische Globalisierung, darunter die Überzeugung, dass Märkte fest in politische Ordnungssysteme eingebettet sein müssen, es nicht den „einen“ Weg zum Wohlstand gebe und Länder das Recht hätten, ihre eigenen sozialen Strukturen und Regelwerke zu verteidigen. Andererseits hätten Länder nicht das Recht, anderen ihre Institutionen aufzuzwingen. Der Zweck internationaler Wirtschaftsabkommen müsse sein, Verkehrsregeln für die Schnittstellen zwischen nationalen Institutionen festzulegen, wobei nicht- demokratische Länder nicht auf dieselben Rechte und Privilegien pochen dürften wie Demokratien. H. H.

 

Rodrik, Dani: Das Globalisierungsparadox. Die Demokratie und die Zukunft der Weltwirtschaft. München: Beck 2011. 416 S., € 24,95 [D], 25,60 [A],

 

sFr 37,90 ; ISBN 978-3-406-61351-7