Laleh Khalili

Sinews of War and Trade

Ausgabe: 2021 | 3
Sinews of War and Trade

Als das Containerschiff „Ever Given“ im März 2021 im Sueskanal auf Grund lief und ihn fast eine Woche lang blockierte, ist die globale Schifffahrt und ihre zentrale Bedeutung für den Welthandel in den Blick der internationalen Öffentlichkeit geraten. Dabei wurde für viele Menschen im Westen zum ersten Mal offenbar, wie sehr unser Lebensstil vom reibungslosen – und für die meisten unsichtbaren – Ablauf  des maritimen Handels abhängt.

Laleh Khalili, Professorin für Internationale Politik an der Queen Mary Universität in London, ergründet in ihrem Buch die Parallelwelt der gigantischen Containerschiffe, streng gesicherter Frachthäfen und glitzernder Bürotürme in arabischen Planstädten. Für ihre tiefgründige Recherche über die Schifffahrtsindustrie in Arabien war sie selbst monatelang an Bord von Containerschiffen und in schwer zugänglichen Hafenanlagen. Das Ergebnis ist eine spannende Analyse der Verflechtungen von multinationalen Unternehmen, arabischen Despoten und internationalen Regierungen, die miteinander um Profit und geopolitischen Einfluss ringen. So werden Häfen nicht nur gebaut, um Kapazitätsengpässe zu beheben, sondern auch um rivalisierenden Staaten das Geschäft abzugraben. Die meisten Unternehmen der Industrie sind entweder Staatskonzerne oder wurden als solche gegründet und kooperieren immer noch eng mit ihren Mutterregierungen.

Die Folgen der modernen Schifffahrt

Anhand von ausführlichen geschichtlichen Erläuterungen, eigenen Erlebnissen und interessanten Anekdoten gibt Laleh Khalili auch Einblick in die komplexen Abläufe der Schifffahrtsindustrie. Dabei beschreibt sie vor allem auch die negativen Folgen der modernen Schifffahrt, etwa die Umweltschäden durch den Bau immer größerer Hafenanlagen und die Verbrennung von Schweröl, die Zerstörung von traditionellen Gemeinschaften im Hinterland der Häfen sowie die oftmals menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen der Hafenarbeiter:innen und Seeleute.

Über einen vorherrschenden Neokolonialismus in der Branche

Ein besonderer Aspekt, der sich durch das ganze Buch zieht und zum Nachdenken anregt, ist der vorherrschende Neokolonialismus in der Branche. Laleh Khalili zeigt, wie die multinationalen Konzerne, in deren Besitz sich viele Häfen und Reedereien befinden, eng mit westlichen Regierungen zusammenarbeiten. So sind etwa die Satzungen der internationalen Schiedsgerichte, die Konflikte zwischen Konzernen und Staaten des globalen Südens lösen sollen, von westlichen Diplomaten als Kompensation für den Machtverlust in Folge der Dekolonisation entworfen worden. Die staatliche Souveränität ist in Häfen und den häufig dort angrenzenden Zollfreigebieten oft durch Pachtverträge mit jahrzehntelanger Laufzeit stark eingeschränkt. Im Gegenzug unterstützen die Schifffahrtskonzerne „ihre“ Regierungen bei der Durchsetzung wirtschaftlicher Sanktionen. Westliche Militärs nutzen die Häfen im globalen Süden zudem als Basis für geopolitischen Einfluss und Kriegsvorbereitungen.

Laleh Khalilis Buch bietet einen umfassenden, gut recherchierten und spannend beschriebenen Überblick über eine Industrie, die selten beachtet wird, aber ein grundlegender Baustein der Globalisierung ist.