Die schweizerische Historikerin Lea Haller hat sich intensiv mit dem Transithandel auseinandergesetzt und bietet mit dieser Publikation eine lesenswerte Studie.
Transithändler:innen kaufen Waren, bezahlen sie, versichern sie, verschiffen sie, verkaufen sie wieder und schlagen daraus Profit. Ihren Firmensitz haben sie in einem Drittstaat. „Die Transithändler handelten mit Waren, aber Informationen waren ihr Geschäft. Die traditionelle Verschwiegenheit und öffentliche Unsichtbarkeit der Handelshäuser dienten der Sicherung ihres einzigen Wettbewerbsvorteils: dem waren- und länderspezifischen Wissen.“ (S. 381)
In der Entwicklung des Transithandels kam es immer wieder zu Regulierungen. Die „Techniken der Globalisierung“ entstanden in enger Verflechtung der Unternehmen mit transnationalen Institutionen und Staaten. Frachtbriefe und Ladescheine mussten geregelt werden.
Warentransport war ohne die Praxis des Dokumentierens, Beglaubigens und Quittierens nicht möglich. Bei Nichtübereinstimmung der Dokumente mit der Fracht ging es immer wieder um Fragen der Gerichtsbarkeit. Das erforderte die Einbindung der Staaten oder zumindest nationaler Institutionen wie Handelskammern. Auch die technischen Voraussetzungen globaler Kommunikation mussten entwickelt wer-den, und schließlich war es wichtig, dass beim Transfer von Geld die Vernetzung zwischen Finanzhäusern und Banken funktioniert. Gerade die Geschichte der Lösung dieser technisch-en und regulativen Probleme zeigt, wie sehr der Transithandel auf staatliche Strukturen, Regulierung und die Politik im weitesten Sinne angewiesen war. „Um einen vorteilhaften Rechtsrahmen zu schaffen, scheuten Regierung, Diplomaten, Kaufleute und Juristen weder Kosten noch Mühen.“ (S. 8)
Lea Haller stellt deutlich heraus, dass es eines der größten Missverständnisse der ökonomischen und politischen Theorie sei, durch die Beseitigung von Restriktionen und Hemmnissen ein Wirtschaftssystem zu etablieren, das quasi sich selbst erzeugen und regulieren würde. „Ein solches, von allem menschlichen Tun und allen institutionellen Voraussetzungen losgelöstes Wirtschaften, also das, was man seit Mitte des 20. Jahrhunderts kurzerhand ‚die Wirtschaft‘ nennt, gibt es nicht.“ (S. 396) Die Geschichte des Transithandels zeigt das ohne Zweifel eindrucksvoll.