Schon im Untertitel begegnet man zwei Begriffen, die auf den ersten Blick so gar nicht zueinander passen wollen: Nation und Konfession. Doch in der Lektüre werden Zusammenhänge deutlich, zeigt sich die - oft Jahrhunderte alte - Ambivalenz. Hierzu trägt besonders ein bibeltheologischer Exkurs von Josef Schreiner bei, der die enge Beziehung zwischen Glaube, Volk und Politik im Alten wie auch im Neuen Testament verdeutlicht. Das Christentum sei - so die Autoren - kein einheitliches Kulturprinzip, das für eine europäische Integration unmittelbar in Anspruch genommen werden könne. Ein besonderes Problem ergebe sich aus dem Umstand, daß Westeuropa nach Integration strebt, während sich die osteuropäischen Länder, von Gleichmacherei endlich befreit, ihrer eigenen Kultur, ihrem Nationalismus und ihrer Religion mit neuem Interesse zuwenden. Daß gerade in dieser Zuwendung zu Jahrzehnte lang Verbotenem ein großes Potential für neue Konflikte - deren Austragung ja bislang unterbleiben mußte - liegt, ist offensichtlich. Hier hätte die Kirche das zu tun, was die Politik zu leisten nicht im Stande ist: Toleranz und Anerkennung fremder Souveränität und Freiheit durch den einzelnen zu bewirken, die Brücke von Religion und Kirche zum Glauben, zum tatsächlich gläubigen Handeln zu schlagen. Das Christentum war an der Entwicklung Europas wesentlich beteiligt, und nach Meinung der Autoren kann es eine Entwicklung eines christlichen Europas in Zukunft nur geben, wenn es seine Spannung zwischen Gemeinsamem und Vielfalt, die aus gegenseitiger Akzeptanz resultiert, bestehen läßt. Das vorliegende Buch eröffnet einen selbst "christlichen" Politikerinnen nicht geläufigen Blickwinkel auf das Thema Europa. Ein Plädoyer für eine neue europäische Qualität des Christentums. M. T
Europa fordert die Christen. Zur Problematik von Nation und Konfession. Gillessen, Günther. (Mitarb.). Regensburg: Pustet, 1993. 154 S. DM 26,80IsFr. 22,701 öS 209