Vincent-Immanuel Herr, Martin Speer

Europe for Future

Ausgabe: 2022 | 1
Europe for Future

„Herr und Speer“, so der Markenname des Autorenduos, reden nicht lange um den heißen Brei herum. Die beiden sind überzeugte Europäer und wenn sie das sagen, meinen sie, dass sie die Europäische Union verteidigen und – wichtiger noch – weiterentwickeln wollen. In dem Buch wird in der Folge ein Katalog von 95 Ideen formuliert, wie das laufen sollte. Die Autoren widmen sich weniger dem großen Bild als den konkreten Schritten. Liest man diese, wird natürlich klar, was sie für eine Gesamtentwicklung in Europa befürworten. Sie stehen für eine Demokratisierung der Institutionen der Europäischen Union und sehen kein Problem darin, dass diese einhergehen wird mit einer Stärkung der europäischen Ebene auf Kosten der Nationalstaaten.

Die Autoren sind  überzeugt, dass die Europäische Union sich weiterentwickeln soll. Andererseits sieht man Europa aber als Vertreterin des Fortschritts in vielen Bereichen. Sei es die Demokratie, die Geschlechtergerechtigkeit, die Friedfertigkeit oder der Umgang mit der Klimakrise. In all diesen Bereichen weisen sie europäischen Ländern eine „globale Vorreiterrolle“ (S. 20) zu. Die Welt brauche Europa, argumentieren sie. Europa wiederum brauche die Europäische Union. Diese sei und bleibe „das wichtigste politische Projekt und die wirkmächtigste Zukunftskraft auf dem Kontinent und könne auf eine breite Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger setzen. (S. 22) Die EU freilich gelte es evolutionär auf der Grundlage neuer Ideen zu verändern.

Die Ideen von Herr und Speer würden im allgemeinen Diskurs über die Zukunft der EU der Gruppe der „Föderalisten“ zugeordnet werden. Die EU, die auf der Basis ihrer Ideen gebaut würde, wäre wesentlich handlungsfähiger und politisch mächtiger als jetzt. In dem Buch wird für eine europäische Verfassung geworben, ein Projekt, das zuletzt vor knapp 15 Jahren scheiterte. Man schlägt eine Stärkung des Europäischen Parlaments vor, was fast immer auf Kosten der Macht der nationalen Regierungen geht. Das Parlament soll auch das Initiativrecht erhalten, was zurzeit Privileg der Europäischen Kommission ist. Unter den Staaten soll es im Rat zu Mehrheitsentscheidungen kommen - auch in Bereichen, wo es bisher Vetomöglichkeiten gab. Aus den 95 Thesen und Vorschlägen sei noch die Befürwortung einer gemeinsamen EU-Armee herausgehoben. Selten wurde die Fortsetzung der Idee der europäischen Einigung so konsequent und doch gut lesbar durchdekliniert