Zeitwohlstand

Online Special

Zeitwohlstand

„Wie wir anders arbeiten, nachhaltig wirtschaften und besser leben“ – dies verspricht ein Band des Konzeptwerk Neue Ökonomie zu „Zeitwohlstand“. Das Team des „jungen Thinktank“ mit Sitz in Leipzig  (Eigendefinition) lud bekannte AutorInnen wie Hartmut Rosa, Niko Paech, Friederike Habermann und Frigga Haugg zu einer Veranstaltungsreihe ein und machte aus den Beiträgen das vorliegende Buch. Vorgestellt werden Befunde zum steigenden Stress in der Arbeitswelt (so erwartet laut einer Umfrage in Deutschland bei ein bis zwei Drittel der ArbeitnehmerInnen der Chef, dass sie auch in der Freizeit erreichbar sind), den damit kontrastierenden Zeitwünschen der BürgerInnen (zwei Drittel der Deutschen sehen als wichtigste Bedingung für Freiheit, selbst über seine eigene Zeit entscheiden zu können, Habermann S. 20f) sowie den ökologischen Schäden des permanent steigenden „Outputs“ in unserer hochrationalisierten Produktionsmaschinerie. Niko Paech prognostiziert den ökologischen Kollaps bis spätestens 2050, weite Teile der globalen Mobilität und Industrie werden dann  zusammengebrochen sein, dahinter würden aber neue regionale Ökonomien zu blühen beginnen. Während Paech von einem neuen 20:20-Modell hinsichtlich Arbeit ausgeht ( je 20 Wochenstunden Erwerbsarbeit und Eigenarbeit für alle), plädiert Frigga Haug für einen 4-Stundentag, der in einer „Vier-in-Einem-Perspektive“ neben Erwerbsarbeit auch Zeit für Reproduktionsarbeit, kulturelle Bildung und politisches Engagement für alle lässt.  Und jenen, die dies als utopisch oder unrealistisch abtun, antwortet die feministische Sozialforscherin: „Ohne eine Vorstellung, wie eine andere Gesellschaft sein könnte, lässt sich schwer Politik machen.“ ( S. 33)

Felix Wittmann vom Konzeptwerk Neue Ökonomie plädiert dafür, die Wohlstandsdebatte in die Politik zu tragen. Denn „die Demokratie dient uns Menschen als Mittel, unsere Gesellschaft selbstbestimmt zu gestalten“ (S. 76). Er schlägt vor, „Zeiten und Räume für demokratische Beteiligung zu schaffen“, die Mitbestimmung in Betrieben auszuweiten, politische Bildung und mediale Berichterstattung zu verbessern und nicht zuletzt die Instrumente direkter Demokratie auszubauen (S. 81f). Seine Kollegin Lena Kirschenmann führt schließlich ökologische, psychische und soziale Argumente für einen neuen Umgang mit Zeit und Wohlstand aus, wobei sie zeigt, dass allein der Arbeitsmarkt Neujustierungen erfordere. So sei die „Normalarbeit“ in Deutschland auf dem Rückzug, die faire Verteilung des Arbeitsvolumens gelinge jedoch nicht. So hat sich der Anteil der Teilzeitstellen von 14 Prozent im Jahr 1991 auf 26,7 Prozent im Jahr 2010 erhöht, der Anteil der geringfügig Beschäftigten sei auf 14,3 Prozent und jener der befristet Beschäftigten auf knapp 10 Prozent angewachsen.

Hans Holzinger

Zeitwohlstand. Wie wir anders arbeiten, nachhaltig wirtschaften und besser leben. Hrsg. v. Konzeptwerk Neue Ökonomie. München: ökom, 2014. 106 S.  16,95 [D], 17,50 [A], CHF 22,90 ISBN 978-3-86581-476-0