Die Herausforderungen sind bekannt, aber niemand hat ein Konzept. Die Folge sind Politikverdrossenheit und Resignation. Am Ende steht der Ruf nach dem starken Mann. Mit dieser Kurzformel begründen die namhaften Autoren, zu denen neben den ZEIT-Herausgebern Marion Gräfin v. Dönhoff und Helmut Schmidt die Politiker Wolfgang Thierse und Richard Schröder sowie die Wirtschaftsexperten Wilhelm Nölling und Meinhard Miegel gehören, ihr Manifest an Deutschlands Bürger und Regierung. Der Titel verweist auf den appellativen Charakter des Textes. Angesichts der ökonomischen Schwierigkeiten durch die Wiedervereinigung, aber auch der verschärften globalen Verteilungskämpfe sprechen die Autoren von Sparsamkeit, Verzicht und Solidarität. Die Zeiten grenzenlosen Wirtschaftswachstums seien vorbei. Angeprangert wird die Mentalität der" Raffgesellschaft" , in der sich "allzu vieles nur ums Geldverdienen dreht"; gewarnt wird vor der "permissive societv", die Freiheit mit unbegrenztem "nationalen Hedonismus" verwechsele und in geistige Leere und Bindungslosigkeit führe. Nicht gespart wird mit Kritik an der Regierung, die zu viel versprochen, aber zu wenig energisch gehandelt habe und sich nach wie vor scheue, sich und den Bürgern Verzichte abzuverlangen. Das vorgelegte Konzept enthält konkrete Vorschläge zu einer stabilisierenden Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik, die die Kapitalmärkte reguliert, das Budget saniert sowie Arbeitslosigkeit und Wohnungsknappheit überwindet. Ebenso wird einer pragmatischen Einwanderungs- und Entwicklungspolitik das Wort geredet. Deutschlands Zukunft sehen die Autoren nur in einem vereinten Europa aufgehoben, wobei neben historischen und politischen auch wirtschaftliche Argumente ins Treffen geführt werden. Das Buch berührt wesentliche Schnittstellen der geistigen und politischen Krise der (deutschen) Wohlstandsgesellschaft. Ob die vorgestellten Konzepte genügen, um diese zu überwinden, bleibt dahingestellt; mit Sicherheit aber weisen sie in die richtige Richtung, und dies zu einer Zeit, in der konstruktive Vorschläge sehr gefragt sind. H. H.
Weil das Land sich ändern muß. Ein Manifest. Dönhoff, Marion ... (Mitarb.) Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 1992. 106 S., DM 12,- 1 sFr 10,20/ öS 94