Lori Gottlieb erzählt eine Geschichte über Therapie. Wir lernen dabei John, Juli, Rita und Charlotte kennen, die mit jeweils ganz unterschiedlichen Herausforderungen zu den Sitzungen erscheinen und deren Entwicklungsprozess Seite um Seite deutlich wird. Und wir hören von Gottliebs persönlicher Erfahrung, wie ihr Privatleben auf dem Kopf zu stehen scheint und sie selbst psychologische Unterstützung annimmt. Als Therapeutin sind für sie Therapieerfahrungen auch aus der Patientenperspektive nicht neu: es war nicht zuletzt ein bedeutender Teil ihrer Ausbildung, und ohnehin ist es gerade in ihrer Berufssparte üblich, bei der Verarbeitung der emotionalen Auswirkungen des Jobs professionelle Begleitung zu suchen. Diese beiden Zugänge ergeben also eine Geschichte, eine sehr persönliche, die zeigt, wie Therapie helfen und heilen kann.
Gottlieb betont, dass jede Therapie einer besonderen Dynamik folgt, die sich durch Gegenseitigkeit auszeichnet: „Ein Therapeut hält seinen Patienten den Spiegel vor, wie Patienten auch ihren Therapeuten den Spiegel vorhalten. Therapie ist keine Einbahnstraße, sondern vielmehr ein wechselseitiger Prozess. Täglich stellen unsere Patienten uns vor Fragen, über die wir selbst erst nachdenken müssen. Sehen sie sich klarer durch das, was wir ihnen spiegeln, so sehen auch wir uns klarer durch ihre Spiegelung. Das passiert unweigerlich mit uns Therapeuten, wenn wir jemanden therapieren und es passiert genauso mit unseren eigenen Therapeuten. Wir sind Spiegel, die Spiegel spiegeln, welche wiederum Spiegel spiegeln. So zeigen wir einander, was wir noch nicht sehen können.“ (S. 22) Dabei ist das Verhältnis nicht nur ob dieser Wechselwirkung einmalig und einzigartig, auch weil Patientinnen und Patienten oftmals nur in dieser Konstellation über Themen sprechen, die gesellschaftlich mit einem enormen Stigma behaftet sind, etwa Angstzustände, Depressionen oder unbewältigte Trauer.
Einer der wichtigsten Schritte in einer Therapie ist, so Lori Gottlieb, den Menschen dabei zu helfen, Verantwortung für sich und ihre Handlungen zu übernehmen, ihnen zu zeigen, dass sie die Freiheit besitzen, sich zu verändern. Anhand ihrer Schilderungen wird deutlich, dass dieser Prozess langwierig und anstrengend sein kann, selbst wenn das theoretische Knowhow vorhanden ist – aber auch, dass er sich rentiert.