Weil Friede im Gegensatz zum Krieg »keine besondere Tätigkeit, kein bestimmtes, beschreibbares Verhalten ist«, kann er nicht fachlich begrenzter Unterrichtsgegenstand sein. Erziehen heißt vielmehr umfassend generalistisch, die -nächste Generation auf die Welt vor(zu)bereiten, ... ohne sie der Welt zu unterwerfen ... « Dieses Wort eines erfahrenen und berufenen Pädagogen mag Anlass zum Zweifel, vielleicht auch zum Widerspruch geben, bietet jedoch die Chance, die Dimensionen eines schillernden, oft missbrauchten Begriffs freizulegen. In neun »Übungen« aus den Jahren 1967-1987, meist Reden zu verschiedenen Anlässen, wird Engagement für den Frieden konkret fassbar - als (Selbst-)Erziehung zur Politik. Die Vermeidung von Gewalt, die Verwirklichung von sozialer und materieller Gerechtigkeit - auch gegenüber der Natur - und schließlich die Verständigung zwischen den Generationen sind Bereiche konkreter Friedensarbeit, für deren politische Verwirklichung der Verfasser auch persönlich eintritt. Umfassende Information, die Bereitschaft zum Zweifel (auch gegenüber der eigenen Autorität) und der Mut zu Widerspruch und Ungehorsam sind Voraussetzungen, mit denen wir uns den Frieden ein Stück weiter erarbeiten können. Die Idee des Friedens ist für den Autor kein Paradies ereignislosen Wohlgefallens, sondern schlicht die Voraussetzung menschlicher Existenz, zu der es keine ernsthafte Alternative geben kann. Sich angesichts der vielfachen Bedrohungen unserer Zeit der oft schmerzlichen Wahrheit zu stellen, wird zum Gebot der Stunde. Was diese Sammlung teils theoretischer, teils praktischer Arbeiten aus Politik und Pädagogik auszeichnet, ist die Offenheit, besser die persönliche Betroffenheit, die aus jeder Zeile spricht. Als Festredner vor akademischem Kreis (Max Frisch oder Janus Korzak zu Ehren), als Freund vor Schülern, als Angeklagter vor Gericht (das Buch enthält die am 25. Mai gehaltene Rede zum Mutlangen-Prozess) immer plädiert Hentig für eine bessere Welt, ohne sich oder andere täuschen zu wollen. Es werden zwar Utopien ausgesprochen, aber keine Illusionen vermittelt, denn falsche Hoffnung lähmt gerade dort, wo ein klarer Kopf dringend gefordert ist.
Hentig, Hartmut von: Arbeit am Frieden. Übungen im Überwinden der Resignation. München (u.a.): Hanser, 1987. 132 S.
