5 Bücher. 5 Themen

Ausgabe: 2022 | 1
5 Bücher. 5 Themen

Sechs kurze Rezensionen finden Sie nachfolgend, geschrieben von Paul Marsden, Quirin Schnack, Katharina Schnitzler, Sabine Melnicki, Stefanie Gerold. Im Fokus: Bücher von Adam Grant, Steffen Wellgraf, Mai Thi Nguyen-Kim, Jeanette Winterson, Jake Rosenfeld.

Adam Grant: Think Again

Dieses Buch wird die Menschheit wohl nicht retten – wobei, wer weiß das schon, vielleicht ja doch. Es bleibt zumindest zu hoffen, dass es viele lesen. Worum geht es? Der Organisationspsychologe Adam Grant beschreibt extreme Polarisierungen in politischen und soziokulturellen Bereichen als eine der größten gesellschaftlichen Herausforderungen unserer heutigen Zeit, das Zusammenkommen und gemeinsame Arbeiten an Problemen als essenzielle und einzig sinnvolle Lösung. Grant erklärt dem folgend nicht nur, wie man andere dazu bringen kann, bestehende Weltsichten zu hinterfragen, sondern vor allem, wie man sein eigenes Denken, seine eigenen Wertsätze immer wieder notwendigen Prüfungen unterzieht. MP

Adam Grant: Think Again. The Power of Knowing What You Don't Know. Viking Books, London2021; 320 Seiten

Stefan Wellgraf: Ausgrenzungsapparat Schule

Stefan Wellgraf (HU Berlin, Institut für Europäische Ethnologie) analysiert in diesem Buch die Reproduktionsmechanismen sozialer Ungleichheiten durch das System Schule. Dabei spannt er seine Studie von betroffenen Schüler:innen und Lehrer:innen über die Bildungspolitik „als ein von medialen Paniken angetriebenes […] Steuerungsinstrument“ (S. 168) hin zu sozial- und privatwirtschaftlichen Bildungsprojekten. Wellgrafs Analyse legt nüchtern dar, dass der Ausgrenzungsapparat Schule auf viele Ungleichverhältnisse angewiesen ist, die deswegen reproduziert und nicht in Frage gestellt werden. Ohne den Fehler zu machen, eigene Lösungen anzubieten, bietet dieses Buch sehr viel zum Nachdenken. QS

Stefan Wellgraf: Ausgrenzungsapparat Schule. Wie unser Bildungssystem soziale Spaltungen verschärft. transcript Verlag, Bielefeld 2021; 242 Seiten

Mai Thi Nguyen-Kim: Die kleinste gemeinsame Wirklichkeit

Mai Thi Nguyen-Kim widmet sich unserer aktuellen Informationskrise, in der Wirklichkeit zu einem „Blob aus Wahrheit, Lüge, Fakten und Ideologie“ (S. 343) verschmilzt, in der Äußerungen einfach als Cancel Culture und Fake News abgewertet werden und in der die Menge an Informationen deren sachliche Interpretation immer schwieriger machen. Entlang verschiedener Themen erklärt die Wissenschaftsjournalistin, welchen Beitrag die empirische Wissenschaft zur Beantwortung gesellschaftlich strittiger Fragen leisten kann: Der aktuelle wissenschaftliche Konsens soll als inhaltliche Basis und der wissenschaftliche Spirit als Vorbild für eine konstruktive Streitkultur in Diskussionen und Debatten dienen. Ein vielseitiges Buch! KS

Mai Thi Nguyen-Kim: Die kleinste gemeinsame Wirklichkeit. Wahr, falsch, plausibel – die größten Streitfragen wissenschaftlich geprüft. Droemer Knaur, München 2021; 368 Seiten

Jeanette Winterson: 12 Bytes

Das Kinderbuch Frederick und seine Mäusefreunde kommt einem bei dieser Publikation in den Sinn. Denn wie ein Frederick der Künstlichen Intelligenz hält Jeannette Winterson einem allzu binären Blick auf das Morgen (optimistisch oder düster) ihre epischen Farben und ein Fest der Geschichten entgegen, bei dem Jesus, Ada Lovelace und Elfen als Mäuse zu Gast sind. Was aus 12 Episoden nachhallt, ist ein Urvertrauen in wundersam Menschliches und Mitgefühl als unsere beste bleibende Überlebenschance. Wintersons literarische Vorräte gegen mechanische Kälte sind dabei Staunen, Freimut und Humor. SM

Jeanette Winterson: 12 Bytes. How We Got Here. Where We Might Go Next. Vintage Publishing, London 2021; 273 Seiten

Jake Rosenfeld. You’re Paid What You’re Worth

Weshalb verdient ein Anwalt eigentlich das Vielfache einer Pflegekraft? In You're Paid What You’re Worth geht Jake Rosenfeld der Frage nach, nach welchen Kriterien Beschäftigte bezahlt werden. Die gängige Annahme lautet, dass Qualifikation und persönliche Leistung maßgeblich das Einkommen bestimmen. Tatsächlich lassen sich Produktivität und Wert von Beschäftigten oft nur schwer nach objektiven Kriterien bewerten. Der Autor legt eine umfassende Analyse zu den Dynamiken hinter der Lohnfindung und leistet damit einen wichtigen Beitrag, den Trend steigender Lohnungleichheit der letzten Jahre zu verstehen. SG

Jake Rosenfeld: You’re Paid What You’re Worth. And Other Myths of the Modern Economy. Harvard University Press, Harvard 2021; 384 Seiten