Das Buch stellt einen dankenswert klärenden Beitrag zur inzwischen fast unübersichtlich gewordenen Modernismus/Postmodernismus Debatte dar. Neu ist, dass der Autor von politologischen Kriterien ausgeht, ohne die bisherigen Zentren der Diskussion, Kunst, Architektur und Philosophie außer Acht zu lassen. Gemeinsam mit diesen bekannten Erörterungen ist dem Ansatz von Kondylis die Konstatierung eines Bruches der sich am deutlichsten im Übergang von liberaler 'Demokratie zur Massendemokratie manifestiert. Dieses beobachtbare Phänomen führt er auf den Übergang von der "bürgerlich synthetisch-harmonisierenden" zur massendemokratisch analytisch-kombinatorischen" Denkfigur zurück, die auch dem Verständnis und der Produktion von Kunst, Geschichte und Philosophie zugrunde liegt. Im ersten Kapitel "Grundlegende Begriffe und Denkfiguren" gibt Kondylis einen präzisen Überblick über die verschiedenen inhaltlichen und zeitlichen Bedeutungen der Begriffe "Moderne" und "Postmoderne", ohne jedoch der Versuchung zu erliegen, die Begriffsverwirrung durch die Einführung von eigenen neuen Bezeichnungen noch zu vermehren. Ähnlich nüchtern wie der Umgang mit der Terminologie ist auch die politische und ethisch-moralische Einschätzung der phänomenologisch beschriebenen Herausbildung der bürgerlichen Gesellschaft, der Erscheinungsformen ihrer Kunst und ihrer politischen Organisation: Weder sind die apokalyptischen Visionen vom Ende des Menschen und der Geschichte gerechtfertigt, da lediglich ein anthropozentrisch orientiertes Weltbild durch ein neues, synthetisches ersetzt worden ist, noch kann Kondylis die Glücksversprechungen einer hedonistischen, pluralen, friedlichen Welt teilen, da die Zusammenhänge zwischen Hedonismus und Friedensliebe a) nicht notwendig sind, und b) auf einem Zustand des Überflusses beruhen. Das Buch gibt bewusst keine Antworten, stellt aber einen wichtigen Beitrag zur Klärung der terminologischen Fragen, der beschreibbaren Phänomene, der zugrundeliegenden Denkstrukturen dar, die in den sonstigen Beiträgen zur Moderne/Postmoderne oft eher mystifiziert werden. Der nüchterne Ausblick und die Warnung vor dem Glauben an Patentrezepte, der Rekurs auf die Notwendigkeit der verantwortlichen Aktion und Reaktion auf sich entwickelnde Zustände ist in einer Zeit, die auf der Suche nach Lösungen und Heilslehren ist, ein lesenswerter Beitrag der - vielleicht trotz alledem noch benötigten - aufklärerischen Tradition. S. S-B.
Kondylis, Panajotis: Der Niedergang der bürgerlichen Denk- und Lebensform. Die liberale Moderne und die massendemokratische Postmoderne. Weinheim: VCH. Acta Humaniora, 1991.300 S.