Alarm für die Umwelt. Europa ohne Grenzen

Ausgabe: 1992 | 2

Der Befund für die Umwelt im EG-Binnenmarkt ist nicht erst seit der Task-Force-Studie (1989) vernichtend. Bisher gibt es auch keinerlei Anzeichen einer Entkoppelung des schrankenlosen Wirtschaftswachstums und der steigenden Umweltbelastung. Überraschend ist zunächst, dass das EG-Recht für die Belange der Umwelt den direkten Einfluss der Bürger in Form des Petitionsrechts beim Europaparlament und der formellen Beschwerde bei der EG-Kommission vorsieht. Bisher hat jedoch kein Land, so die Autoren, seine Bürger darüber umfassend informiert. Ein weiterer Punkt lässt ebenfalls aufhorchen: die meist gescholtenen Südstaaten (F, GB, P, GR, E) haben die Umsetzung der 136 Umwelt-Richtlinien rascher vollzogen als Deutschland. Insgesamt behandeln die Autoren ein breites Spektrum von die Umwelt betreffenden Themen: u.a. Ökosteuer, Verkehr, Müll, Energie, Gesundheit, Nord-Süd-Gefälle, Regionalentwicklung. Besonders bei der Beseitigung von Grenzkontrollen und der Festlegung einheitlicher Normen bleibt der Umweltschutz auf der Strecke, oft verwässert die Übernahme von Binnenmarktvorschriften bisher Erreichtes. Im Agrarsektor zeigt sich die tatsächliche Dimension besonders deutlich: deutsches Bier in Spanien, italienische Nudeln In Dänemark und dänische Butter in Süditalien. Vereinzelt wird inzwischen auch Umweltbewusstsein demonstriert, etwa bei der Verordnung über ein gemeinschaftliches System für Umweltzeichen (Öko-Labeling). der Diskussion über Umweltsteuern oder der Forderung von Umweltverträglichkeit bei der Energieversorgung, eine grundsätzliche Neuorientierung der Energiepolitik ist jedoch auch vor dem Hintergrund der atomaren Option nicht in Sicht. Den „Abfallbergen" widmen die Binnenmarktarchitekten in ihren Plänen keine Zeile, obwohl für die 90er Jahre in der Gemeinschaft mit einer Giftmüllmenge von 70 Mill. Tonnen gerechnet wird. Zusammengefasst: Wirtschaftswachstum ist und bleibt das wichtigste Ziel des gemeinsamen Marktes. Auf der Strecke bleibt die globale Verantwortung für die Zukunft. Das düstere Bild von der "Festung Europa" gewinnt an Kontur. Alfred Auer

Frühauf, Wolfgang; Giesinger, Thomas: Alarm für die Umwelt. Europa ohne Grenzen. Hamburg: Spiegel-Verl., 1992. 164 S. (Spiegel Spezial; 1/1992) DM 7,50/ sFr 7,50/ öS 60