Jonathan Haskel, Stian Westlake

Restarting the Future

Ausgabe: 2022 | 4
Restarting the Future

Einst war der Besitz einer Fabrik die Grundlage für Vermögen in der Wirtschaft. Heute ist es immaterielles Kapital. Das können zum Beispiel Markenrechte, Patente oder bestimmte Kontakte sein, die Zugang zu Märkten garantieren. Es gibt noch heute Fabriken. Es gibt schon seit Langem Patente. Aber seit den 1980er-Jahren erleben wir eine deutliche Verschiebung. Seit rund 15 Jahren wird in Staaten wie den USA und Großbritannien mehr in immaterielle Werte investiert als in handfeste Maschinen und andere materielle Güter.

Fünf Herausforderungen auf dem Weg in eine neue Zukunft

In dem Buch von Jonathan Haskel und Stian Westlake Restarting the Future geht es nicht darum, ob diese Verschiebung gut oder schlecht ist. Vielmehr wollen sie für diese neue Welt Rahmenbedingungen, damit die neuen Formen des Wirtschaftens gute Ergebnisse bringen. Motiviert werden sie durch den Umstand, dass das gerade nicht der Fall ist. Fünf Probleme zählen sie auf. „We argued that this problem is multifaceted and characterised by five symptoms: stagnation, inequality, a combination of decreased and increased competition, fragility, and inauthenticity.“ (S. 240)

Der Reihe nach, erstens Stagnation: Die Autoren zeigen, dass seit 15 Jahren das Wirtschaftswachstum gering ist, obwohl es niedrige Zinssätze und gute Gewinne der Unternehmen gibt. Vereinfacht: Was bringt die Gesellschaft insgesamt und nachhaltig besser voran: Wenn Apple in das Image der Marke durch eine Werbekampagne investiert, um den Angriff Samsungs abzuwehren oder wenn beiden Firmen in neue Produktionstechnologien investieren? Zweitens sehen sie Ungleichheit des Status, politische Polarisierung, geographische Disparitäten und zunehmende „deaths of despair“. Das hat viel damit zu tun, dass „immaterielle Investitionen“ in die Software zur Effizienzsteigerung im Alltag geflossen sind, was nicht nur Arbeitnehmer:innen Stress macht, sondern auch deren Ausbeutung begünstigt. Dann zeigen die Autoren drittens, dass der Wettbewerb zwischen Unternehmen in den verschiedenen Branchen weniger spannend ist als früher: zu weit haben Marktführer:innen ihre Verfolger:innen schon abgehängt. Für Arbeitnehmer:innen und Manager:innen hingegen wird das Arbeitsleben immer intensiver. Die Autoren veranschaulichen das anhand der Daten, die Amazon über die Effizienz der Mitarbeiter:innen sammelt. Die Fragilität unserer Ökonomien, viertens, sehen die Autoren in dem Umstand, dass beispielsweise der Klimawandel uns auf Disruptionen zusteuern lässt, die Wirtschaft aber unfähig erscheint, Schritte zu setzen, um dagegen anzukämpfen. Das fünfte Problem „Nicht-Authentizität“ steht für die Nichtübereinstimmung mit dem, was auf Produkten steht und dem, was sie können. „Fake“ sei nicht zufällig ein wichtiger Begriff in Zeiten immaterieller Investitionen.

Institutionelle Reformen, um Probleme in den Griff zu bekommen

Die Autoren raten nun zu institutionellen Reformen, um die Probleme in den Griff zu bekommen. Es geht hier um die Stadtentwicklung, Wettbewerb und dessen Regulierung, die Rolle der Öffentlichkeit bei Investitionen und eine neue Finanzarchitektur. Alle Veränderungen in diesen Bereichen werfen die Frage auf, ob Staaten diese Aufgaben erfolgreich und effizient erfüllen könnten. Das Problem: Umso mehr Regelungen, Produkte oder Dienstleistungen zentralisiert (durch den Staat) erbracht werden, desto mehr besteht die Gefahren, dass diese Zentralen Informationsprobleme haben (Shortage of Information) und dass sie Opfer von Lobbying werden (Cost of Influence Activities). In Zeiten des immateriellen Kapitals, das eben sehr stark auf Information basiert, wirkt sich nun jeder Verlust von Information beim Vorbereiten von Entscheidungen schlimmer aus. (Beispielsweise wird die Arbeit der Patentämter schlechter, wenn diese Einreichungen nicht mehr nach qualitativen Kriterien gut unterscheiden können). Und wenn die Gesellschaft ungleicher wird, reduziert sich das Vertrauen in der Gesellschaft und auch die Umsetzung der staatlichen Beschlüsse wird erschwert.

Gegensteuern als Unumgänglichkeit

Gegenzusteuern sei nötig. Staaten sollten mehr Kompetenzen erhalten. Zusätzlich benötigen sie eine klare Mission, um den Entwicklungen eine Richtung zu geben. Der Green New Deal der EU könne so eine zentrale Botschaft sein. Nicht jede Entscheidung muss jedes Mal selbst getroffen werden, durch Delegation könnten Stabilisatoren eingebaut werden. Man denke an die unabhängigen Zentralbanken. Machtvolle neuen Formen staatlicher Aktivität seien nötig, um immateriellen Investitionen eine bessere Richtung zu geben. „Increasing state capacity should help drive more, better intangible investment.“ (S. 253) Und das sei nur in Partnerschaft mit Konsument:innen und Unternehmen möglich.