Über Genmanipulation und Leihmutterschafft

Ausgabe: 1992 | 4

Beobachtet man die emotional besetzte, zum größten Teil empörte und abwehrende Haltung von Frauen gegenüber dem Heranwachsen eines viermonatigen Fötus im Leib einer hirntoten Frau und das vergleichsweise sachliche Registrieren, Reagieren und Rechtfertigen dieser Situation von Seiten vieler Männer, dann wird hier eine brisante Herausforderung angesprochen, die Adriana Cavarero in ihren grundsätzlichen Dimensionen aus Sicht der abendländischen Geistesgeschichte auszuloten sucht. Die horriblen Konsequenzen von Genmanipulation und Leihmutterschaft zu Ende gedacht, legen eine radikale Kurskorrektur nahe. Von der Überzeugung ausgehend, dass Menschen niemals als Neutrum sondern stets nur als Mann oder Frau existieren, versucht die an der Universität Verona lehrende Philosophin Platon in den Zeugenstand der aktuellen Debatte zu rufen. Am Beispiel von vier antiken Frauengestalten (Penelope, die thrakische Dienstmagd, Demeter und Diotima) weist sie einerseits die Grundzüge der auf den Tod ausgerichteten patriarchalischen Gesellschaftsordnung nach; zum anderen macht sie deutlich, dass die Frauenfiguren ein anderes, lebensbejahendes Denken repräsentieren. Der Autorin gelingt der überzeugende Nachweis, in welche Richtung eine alternative, von Ehrfurcht geprägte (medizinische) Wissenschaft entwickelt werden müsste. Das spannend geschriebene, konsequent durchdachte und auch Nicht-Philosophen zugängliche Buch leistet einen wertvollen Beitrag zur Diskussion um Mutterschaft, Abtreibung und Verrechtlichung des Lebens. G. H.

Cavarero, Adriana: Platon zum Trotz. Berlin: Rotbuch-Verl., 1992. 207 S., DM 34,-/ sFr 28,80/ öS 265,20