Christine M. Korsgaard

Tiere wie wir

Ausgabe: 2021 | 3
Tiere wie wir

Die US-amerikanische Philosophin Christine M. Korsgaard macht mit diesem Buch eine fundamentale Problematik sichtbar. Wir fragen uns gegenwärtig, wie wir den Tieren, die von uns für verschiedenste Zwecke genutzt werden, ein humanes Leben und Sterben ermöglichen können. Doch haben wir überhaupt das Recht, Tiere für unsere Zecke zu nutzen? Sind Tiere weniger wichtig als Menschen und haben sie keinen moralischen Status? Korsgaard argumentiert nicht, wie viele andere Tierrechtsverfechter:innen, dass uns Menschen letztlich nichts von anderen Tieren unterscheide. Sie betont im Gegenteil den Unterschied und verortet ihn in unserer Rationalität, welche uns befähigt, die Gründe unseres Handelns zu hinterfragen. Die verbreitete Einstellung, Tiere seien weniger wichtig als Menschen, sei nicht nur falsch, sondern irrig. Was als wichtig gilt, ist immer bezogen, das heißt, etwas kann nur für jemanden wichtig sein. So ist aber nicht für jedes Lebewesen etwas anderes wichtig und somit alles relativ – es kann trotzdem etwas absolut bedeutsam sein, wenn es das für alle ist: „Es ist unbedingt gut, gut für uns alle, dass jedes fühlende Geschöpf die Dinge bekommt, die gut für es sind, und die Dinge vermeidet, die schlecht für es sind“ (S. 26). Auch lässt sich nicht messen, ob ein Leben für einen Menschen wichtiger ist als für ein anderes Tier, da wir keinen Standpunkt einnehmen können, um beides zu vergleichen. „Für Menschen wie Tiere ist das bewusste Dasein als solches ein Gut“ (S. 32).

Empathievermögen und Verstand

Im zweiten Teil wird Kants Gedankengang nachverfolgt, demzufolge Menschen als „Zwecke an sich selbst“ (S.109), Tiere aber als bloße Mittel gelten. Nur vernünftige Wesen könnten einen moralischen Status haben. Obwohl Kant nicht an menschliche Pflichten gegenüber Tieren glaubte, lässt sich doch mit kantischen Begriffen der moralische Status von Tieren begründen. Denn sein Diktum, über die Grenzen der Wissenschaft hinaus sei keine Erkenntnis möglich, bezeugt unseren begrenzten Platz in der Natur. Moralische Gesetze sind allein unsere Gesetze, nicht allgemein gültig. So sind Menschen aus kantischer Perspektive nicht wichtiger als andere Geschöpfe, sondern durch Empathie und Verstand ausgezeichnet, welche sie zu der Einsicht führen, dass jedes Tier als ein Zweck an sich selbst betrachtet werden muss.

Auch die Theorien bekannter Moralphilosophen wie Jeff McMahan, Tom Regan und Peter Singer diskutiert Korsgaard anschaulich, und widerlegt vielfach die utilitaristische Auffassung, nach der sich humaneTiernutzung legitimieren ließe, da Tiere keinen Zweck an sich hätten, sondern lediglich austauschbare Behälter für das Gute oder Schlechte seien. Nicht zuletzt beraubt die Tötung die Tiere unrechtmäßig ihres höchsten Gutes, des Lebens.

Die moralische Messlatte höher legen

Im letzten Teil werden Konsequenzen dieser Einsichten und Widersprüchlichkeiten aufgezeigt: müssen wir, um Tiere zu schützen, alle zu Haustieren oder alle zu Wildtieren machen? Die Überlegungen zu Haustierhaltung, Fleischverzehr, Tieren in Militär und Laboren machen eines deutlich: es gibt keine einfachen Lösungen für die vielschichtigen Probleme unserer Interaktion mit Tieren, und wir können uns nicht einreden, Tiere wären weniger wichtig. Wir sollten, so die Autorin, die moralische Messlatte höher legen und uns dringender nach Alternativen beispielsweise für Tierversuche umsehen. Letztlich hält das Dasein der Tiere auch einen unschätzbaren Wert für uns bereit, es vermag uns Einsichten über uns selbst zu offenbaren und unsere Sinne für bewusstes Dasein zu wecken.