Clayton Page Aldern

The Weight of Nature

Ausgabe: 2025 | 1
The Weight of Nature

Was macht der Klimawandel mit uns? Klar stellt er uns vor organisatorische, politische und soziale Herausforderungen. Das wurde an vielen Stellen dargestellt, diskutiert und ist an sich schon ganz ordentlich beunruhigend. Clayton Page Aldern stellt sich eine andere Frage: Was macht der Klimawandel mit uns als Mensch. Genauer gesagt fragt er, wie sich unser Gehirn ändern wird. Aldern ist Neurowissenschaftler und beschäftigt sich in seinem Buch „The Weight of Nature“ journalistisch mit dieser Frage.

Aldern führt uns langsam an das Thema heran. Kann es sein, dass man etwas aggressiver mit Menschen redet, wenn einem das Wetter zusetzt? „You snap at your mother on the phone because surely you have had this conversation before, and right now it is 95 Degrees Fahrenheit (35°C) and your patience has run dry“ (S. 4f.). Klar, der Zusammenhang von Wetter und Stimmung liegt auf der Hand. Viele werden dann ungeduldiger. Das ist ein ernstes wissenschaftliches Thema. Der Zusammenhang zwischen Temperatur und Aggression habe etwas mit Impuls-Kontrolle zu tun, was wiederum einen Bezug zum Serotonin-System des Gehirns hat. Aldern spricht dann von einem Modell, das man allgemein anwenden kann auf das, wie Verhalten sich in einer heißeren Welt verändert.

Wie Klimawandel unser Verhalten verändert

Das Buch hat drei Teile. Im ersten stellt er uns diese, bereits einleitend skizzierten Argumente vor, wie der Klimawandel – als Erderwärmung - unser Verhalten verändert. Im zweiten geht er eine Ebene tiefer und erklärt die Auswirkungen auf unsere (neurologische) Gesundheit. In diesem Zusammenhang spricht der Autor auch die Veränderungen im Bereich der Infektionskrankheiten an, die bei Erwärmung zu erwarten sind. „While emerging zoonoses and brain-eating amoebae tend to offer the most high-profile headlines and shocking epidemics, endemic zoonotic diseases exacerbated by climate change – the stuff we already know about – might be bene more insidious in term of their aggregate toll of human health“ (S. 143). In anderen Klimaregionen gibt es andere Krankheiten. Wir werden eine andere Klimaregion sein. Ein weiteres Thema, das Aldern aufwirft, sind die Posttraumatische Belastungsstörungen. Nimmt die Anzahl der Menschen zu, die bei Extremwetterereignisse zu Schaden kommen? Das ist zu erwarten. Folglich auch die Anzahl dieser Erkrankungen. Weiters: Eine bedrohliche Umgebung macht die übermäßig wachsam, belastet die Menschen, führt erst recht zu Fehlern.

Im dritten Teil zeigt Aldern, wie die durch den Klimawandel veränderte Umwelt unsere Sinneswahrnehmungen beeinflusst, wie unser Gehör und unseren Geruch. Als Grundlage für diese Überlegung erinnert Aldern daran, dass menschliches Verhalten sich aus Erfahrungen speist. Bestimmte Sinneswahrnehmungen wie Geräusche, Gerüche und anderes werden als bekannt wahrgenommen und das ist dann kein Grund zur Beunruhigung. Ist man zunehmend mit anderen, neuen, überraschenden Sinneswahrnehmungen konfrontiert, reagiere das alarmierte Hirn mit Maßnahmen der Selbsterhaltung. Das bedeutet, dass es sich den neuen Hinweisen anpasst, diese verarbeitet und in ein neues Modell der Welt einbaut. Dieser Umbau lasse auch immer eine alte Welt hinter sich.

Diese dramatischen Umgestaltungen betreffen nicht nur Menschen, die aufgrund des Klimawandels ihre Heimat verlassen müssen und in neue Regionen ziehen. Sie betrifft auch Menschen, die am selben geographischen Ort bleiben, sich dort aber die Umwelt aufgrund des Klimawandels dramatisch ändert. Selbst hier sind relevante Änderungen die Folge, bis hin zur (erneuerten) Sprache für eine neue, veränderte Umwelt. „In other words, as our climate changes, it doesn’t only alter landscapes; it also erodes the linguistic diversity that blossoms from the human experience of these very environments. […] Climate change, in all its tumultuous forms, accelerates the degradation of this richness“ (S. 244). Der Klimawandel verändert also nicht nur unsere Umwelt. Er wird auch uns verändern. „As the environment changes, you should expect to change too. It is the job of your brain to model the world as it is. And the word is mutating“ (S. 9).

Höchste Zeit, Effekte des Klimawandels auf unsere Gehirne zu diskutieren

Die Effekte des Klimawandels auf unsere Gehirne stellen für Aldern eine Krise der öffentlichen Gesundheit dar, die noch kaum in der Gesellschaft diskutiert wird. Es ist wohl höchste Zeit, diese Ebene der Klimaanpassung ernst zu nehmen und zu überlegen, wie man damit umgehen will.