
In der aktuellen Klimadebatte stehen drei Akteure besonders im Fokus: Individuen, staatliche Institutionen und Unternehmen. Während individuelle Entscheidungen und staatliche Regulierung zweifellos wichtig sind, liegt der größte Hebel zur Emissionsreduktion bei Unternehmen. Sie besitzen die Ressourcen, die Skalierbarkeit und den direkten Einfluss auf Produktionsprozesse und Lieferketten. Investitionen in Klimaneutralität und erneuerbare Energien amortisieren sich hier nicht nur vergleichsweise schnell, sondern erzeugen auch systemische Veränderungseffekte, die weit über einzelne Maßnahmen hinausgehen. Vor diesem Hintergrund muss auch „Race to Zero“ betrachtet werden – ein Buch, das sich bewusst an diejenigen richtet, die diesen Hebel betätigen können und müssen. Benedikt Probst und Marian Krüger liefern hier kein weiteres Manifest, sondern einen praxisorientierten Leitfaden. Anstatt in moralische Appelle oder technokratischen Optimismus zu verfallen, setzen sie auf Klarheit und Lösungsorientierung. Im Zentrum steht die Doppelstrategie aus Emissionsreduktion und CO2-Entfernung. Die Autoren kategorisieren letztere in naturbasierte, technische und hybride Ansätze und zeigen anhand konkreter Beispiele, wie sie sinnvoll in unternehmerische Abläufe integriert werden können. Besonders bemerkenswert ist die kritische Auseinandersetzung mit CO2-Kompensationszertifikaten. Probst und Krüger scheuen sich nicht, die oft fragwürdige Qualität vieler solcher Zertifikate offenzulegen. Die bloße Existenz eines Zertifikats ist noch kein Garant für tatsächliche Emissionsreduktion. Das Buch plädiert dafür, den Blick auf echte, messbare und langfristig wirksame Technologien zu lenken, anstatt auf kurzfristige symbolische Maßnahmen zu setzen; stilistisch bewegt es sich auf einem schmalen Grat zwischen wissenschaftlicher Tiefe und praktischer Lesbarkeit. Die Kapitel sind klar strukturiert, zentrale Erkenntnisse werden zusammengefasst und praxisnahe Empfehlungen ausgesprochen. Diese Zugänglichkeit ermöglicht es nicht nur Klimabeauftragten großer Konzerne, sondern auch Entscheidungsträger:innen mittelständischer Unternehmen, einen klaren Weg in Richtung Klimaneutralität zu erkennen. Ein kleiner Wermutstropfen bleibt: Die systemischen Grenzen von Wachstumsparadigmen und Profitmaximierung werden zwar gestreift, aber nicht vertieft behandelt. Doch dies ist letztlich kein Versäumnis, sondern eine bewusste Fokussierung. Das Buch richtet sich an jene, die innerhalb der bestehenden Strukturen handeln können – und müssen. „Race to Zero“ ist ein Buch, das den Raum zwischen technologischer Innovation und unternehmerischer Verantwortung ausleuchtet. Es bietet nicht nur Wissen, sondern auch Werkzeuge für diejenigen, die bereit sind, den notwendigen Wandel aktiv zu gestalten. Wer in der Wirtschaft Verantwortung trägt und mehr als nur oberflächliches Greenwashing betreiben möchte, findet hier einen fundierten, realistischen und umsetzbaren Wegweiser.